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Robinson Crusoe

Robinson Crusoe

Titel: Robinson Crusoe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Defoe
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meine alten
    Gedanken wieder, und meine Hitze begann zu verrauchen. Nicht als ob ich mich vor ihrer Überzahl gefürchtet hätte; denn da es ja nur nackte, unbewaffnete Kerle waren, konnte kein Zweifel sein, daß ich ihnen überlegen war, selbst wenn ich allein-
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    gewesen wäre. Aber es kam mir aufs neue in den Sinn, woher ich das Recht und wozu ich's nötig hätte, meine Hände in Blut zu tauchen und Menschen anzugreifen, die mir nichts getan hatten und mir nichts tun wollten, die mir gegenüber unschuldig waren und deren barbarische Bräuche ihr eigenes Unglück waren, indem daraus hervorging, daß Gott sie, samt den anderen Volksstämmen dieses Teiles der Welt, in solcher Dumpfheit und unmenschlichen Roheit belassen hatte. Ich aber war von ihm nicht zum Richter über ihre Handlungen, geschweige denn zum Vollstrecker seiner Gerechtigkeit berufen. Wenn er es für angemessen hält, sagte ich mir, wird er es schon in seine eigene Hand nehmen und an ihrem ganzen Volke vergelten, was sie als ganzes Volk verbrochen haben. Unterdessen jedoch ging mich die Sache nichts an. Mit Freitag mochte es noch angehen; denn er war ihr erklärter Feind und auf Kriegsfuß mit ihnen, er durfte sie angreifen. Von mir aber galt das nicht.
    Diese Gedanken gingen mir auf dem ganzen Wege dermaßen im Kopf herum, daß ich beschloß, mich vorerst nur möglichst nahe auf die Lauer zu stellen, um ihr Fest zu beobachten und dann zu handeln, wie Gott es mir eingeben würde.
    Mit diesem Entschluß trat ich in den Wald ein und ging so behutsam und leise wie möglich. Freitag folgte mir auf den Fersen bis zu dem Waldrand, der ihnen am nächsten war. Nur ein kleines Waldstück lag noch zwischen ihnen und mir. Hier rief ich Freitag leise an und zeigte ihm einen großen Baum, der just an der Ecke des Waldes stand. Ich befahl ihm, zu dem Baum zu gehen und mir Nachricht zu bringen, ob man von
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    da deutlich erkennen könnte, was sie trieben. Er tat es, kam gleich wieder zurück und sagte mir, sie wären von dort deutlich zu sehen; sie säßen alle um das Feuer und verspeisten das Fleisch eines ihrer Gefangenen, und ein anderer läge gefesselt auf dem Strande etwas von ihnen entfernt, um als nächster an die Reihe zu kommen, wovon mir heiß wurde bis ins Herz. Er sagte, dies sei keiner aus seinem Volk, sondern einer der bärtigen Männer, die im Boot ans Festland gekommen seien. Bei der bloßen Erwähnung eines weißen, bärtigen Mannes wurde ich von Grauen geschüttelt.
    Ich ging zu dem Baum und sah deutlich durch mein Glas den weißen Mann am Strande liegen, an Händen und Füßen mit Schilf oder Binsen gebunden.
    Ein anderer Baum mit einem kleinen Dickicht dahinter lag noch ungefähr fünfzig Schritte näher an ihnen als die Stelle, wo ich stand, und ich sah wohl, daß ich auf einem kleinen Umweg ungesehen zu ihm gelangen könne und dann nur noch eine halbe Schußweite von ihnen entfernt sein würde. Ich bezwang also meine Wut. obwohl ich im höchsten Grade aufgebracht war, ging etwa zwanzig Schritt zurück und schlich in dem Dickicht bis zu dem anderen Baum. Hier fand ich eine kleine Erhöhung, von der aus ich sie auf etwa achtzig Schritte vollkommen sehen konnte. Ich hatte jetzt keinen Augenblick zu verlieren; denn neunzehn dieser fürchterlichen Kerle saßen dicht beisammen auf dem Boden und hatten just die beiden anderen
    hingeschickt, um den armen Christen zu schlachten und ihn, vielleicht Glied um Glied, ans Feuer zu
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    schleppen. Als diese beiden sich nun eben bückten, um die Fesseln von seinen Füßen loszumachen, kehrte ich mich zu Freitag um und flüsterte: «Nun tu, was ich dir sage!» Er antwortete: ja, das wolle er. «Also Freitag», sagte ich, «tu genau das gleiche, was du mich tun siehst, und gib gut acht!» Ich legte eine der Musketen und meine Vogelflinte auf die Erde, und Freitag tat dasselbe mit den seinen. Mit der anderen Muskete nahm ich die Wilden aufs Korn und befahl ihm, das gleiche zu tun. Als ich ihn fragte, ob er fertig sei, sagte er ja. «Dann schieß!» sagte ich, und im selben Augenblick gab auch ich Feuer.
    Freilag hatte besser als ich gezielt; denn auf seiner Seite wurden drei getötet und zwei verwundet, während ich nur einen tötete und zwei verwundete. Sie waren, wie man sich denken kann, zu Tode
    erschrocken. Alle, die noch nicht verwundet waren, sprangen sofort auf die Füße, waren aber ratlos, in welche Richtung sie davonlaufen sollten, da sie nicht wußten, von welcher Seite ihr Verderben

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