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Robinson Crusoe

Robinson Crusoe

Titel: Robinson Crusoe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Defoe
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einem klaren Tag das Festland von Amerika erblickt hatte. Da ganz helles Wetter war, spähte Freitag sehr scharf nach dem Festland hinüber, und plötzlich fing
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    er an, vor Freude zu springen und zu tanzen, und rief mich, da ich etwas abseits stand. Ich fragte ihn: «Was ist los?». «O Freude!» schrie er. «O Glück! Da sehen mein Land! Da mein Volk!»
    Ich sah die unbändige Freude in seinem Gesicht; seine Augen funkelten, und aus seinen Gebärden sprach eine seltsame Aufregung, als ob er es vor Sehnsucht nach seinem Lande kaum aushaken
    könnte. Das gab mir viel zu denken. Freitag kam mir nicht mehr so verläßlich vor wie bisher, und ich glaubte, mit einemmal zu durchschauen, daß er, wenn er wieder zurück zu seinem Volke käme, nicht nur seinen neuen Glauben, sondern auch seine ganze Liebe zu mir vergessen würde. Ja. vielleicht würde er nichts Eiligeres zu tun haben, als seinen Brüdern von mir zu erzählen und dann mit ein- oder zweihundert von ihnen zurückzukehren, um sich einen
    Festschmaus aus mir zu braten, bei dem er ebenso fröhlich sein würde wie zuvor beim Schlachten der Kriegsgefangenen.
    Aber ich tat dem armen, ehrlichen Burschen bitter unrecht, was ich nachher heftig bereute. Doch da mein Argwohn zunächst immer mehr wuchs und wochenlang anhielt, so war ich vorsichtiger und nicht mehr so vertraulich und freundlich zu ihm wie bisher, was, wie gesagt, sehr unrecht von mir war, da der ehrliche, dankbare Bursche mit keinem Gedanken daran dachte, sondern vom besten Willen erfüllt war, sowohl als frommer Christ wie als dankbarer Freund, wie sich später zu meiner vollen Beruhigung herausstellte. Solange jedoch mein Argwohn wach war, fragte ich ihn täglich aus, um irgend etwas von
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    seinen neuen Absichten aus ihm herauszubringen.
    Aber alles, was er sagte, war so ehrlich und unschuldig, daß mein Mißtrauen nicht die geringste Nahrung erhielt. Und so wurde ich trotz all meiner Besorgnis doch schließlich wieder ganz der seine, besonders da er selber von meinem Argwohn nichts gemerkt hatte und also auch nicht die Absicht haben konnte, mich zu überlisten.
    Als wir eines Tages wieder auf denselben Hügel stiegen, die Luft aber so dunstig über dem Meer lag, daß wir das Festland nicht sehen konnten, rief ich ihn und fragte ihn: «Freitag möchtest du nicht gern wieder in deinem Lande sein, bei deinem Volk?» - «Ja», sagte er, «o ich so froh sein bei mein Volk!» - «Was würdest du dort tun? » fragte ich weiter,« würdest du wieder Menschenfleisch essen und ein Wilder sein, wie du es vorher warst?» Er blickte mich ganz bestürzt an, schüttelte seinen Kopf und sagte: «Nein, nein, Freitag ihnen sagen, wie gut leben; ihnen sagen zu Gott beten, ihnen sagen Kornbrot essen. Tierfleisch und Milch, niemals wieder Menschfleisch essen.»-«Wenn sie dich dann aber töten?» fragte ich. Darauf blickte er ganz ernst drein und sagte: «Nein, sie mich nicht töten, sie gern Liebe lernen.» Er fügte hinzu, sie lernten viel von den bärtigen Männern, die in dem Boot gekommen seien. Auf meine Frage, ob er Lust hätte, zu ihnen zurückzugehen, lachte er und sagte, daß er nicht so weit schwimmen könne. Ich erwiderte, daß ich ein Kanoe für ihn machen würde. Er sagte, daß er gehen wolle, wenn ich mit ihm ginge. «Wenn ich gehe», versetzte ich, «werden sie mich essen.»-«Nein, nein!»
    rief er, «ich nicht lassen Euch essen, ich sie machen Euch lieben.» Er meinte, er würde ihnen erzählen, wie
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    ich seine Feinde getötet und sein Leben gerettet hätte, und so würden sie mich durch ihn lieben. Dann beschrieb er mir, so gut er konnte, wie freundlich sie gegen die siebzehn weißen oder bärtigen Männer seien, die in Not an ihre Küste gekommen wären.
    Von da an, gestehe ich, hatte ich große Lust, mich hinüberzuwagen, um zu sehen, ob ich mich nicht mit den bärtigen Männern zusammentun könnte, die, wie ich nicht zweifelte, Spanier oder Portugiesen waren.
    Ich hoffte zuversichtlich, daß wir Mittel und Wege finden würden, um von dort wegzukommen, da wir ja auf dem Festland und noch dazu eine ganze Gesellschaft zusammen wären. Jedenfalls mußte es leichter sein als hier, wo ich 40 Meilen weit von der Küste und ohne Beistand war. Nach ein paar Tagen sprach ich wieder mit Freitag über dieses Thema und sagte, ich wollte ihm ein Boot geben, damit er zu seinem Volk zurückfahren könne. Ich führte ihn zu meinem kleinen Boot auf der anderen Seite der Insel, schöpfte das Wasser aus

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