Robinson Crusoe
konnten aber an dem anschwellenden Lärm erkennen, daß der Höllenhunde nicht weniger waren als zuvor; und plötzlich gewahrten wir zwei oder drei Haufen Wölfe, einen zur Linken, einen hinter und einen vor uns, so daß wir von ihnen schlechthin umzingelt schienen. Doch da sie uns nicht angriffen, ritten wir in starkem Trabe weiter, so schnell unsere Pferde auf dem holperigen Wege laufen konnten. So erreichten wir den Eingang zu dem Walde, durch den wir am Ende der Senkung hindurch mußten.
Wer beschreibt aber unser Entsetzen, als wir hier an der engen Öffnung einen gewaltigen Haufen von Wölfen versammelt sahen! In demselben Augenblick hörten wir von einer anderen Stelle des Waldrandes her einen Büchsenschuß und sahen ein Pferd mit Sattel und Zaum wie der Wind davonlaufen und sechzehn bis siebzehn Wölfe hinter ihm drein. Das Pferd hatte zwar einen Vorsprung; aber es war kein Zweifel, daß sie es einholen würden, was auch sicherlich wohl geschehen ist.
Als wir zu der Stelle, wo das Pferd aus dem Walde gesprungen war, hinritten, bot sich uns ein entsetzlicher Anblick.
Wir fanden den Leichnam eines anderen Pferdes und zwei Männer, die von den Bestien zerrissen
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waren. Neben dem einen lag noch das abgeschossene Gewehr; er selber war bereits vom Kopf an bis zur Mitte des Leibes aufgefressen.
Es lief uns kalt über den Rücken, und wir wußten nicht, wohin wir uns wenden sollten. Doch die Wölfe brachten uns bald zu einem Entschluß ; denn sie sammelten sich augenblicklich um uns her, gierig nach der neuen Beute, und ich glaube, es waren ihrer bei dreihundert. Zu unserem großen Glück lagen etwas abseits am Waldrand einige große Stämme, die vermutlich im Sommer gefällt worden waren. Ich führte meinen kleinen Trupp dorthin und stellte ihn in einer Reihe hinter einen langen Stamm; dann befahl ich allen abzusteigen und, mit dem Stamm als Brustwehr, ein Dreieck zu bilden, in dessen Mitte die Pferde standen.
So geschah es und zu unserem Glück. Denn die Wölfe wagten einen ihrer grimmigsten Angriffe auf uns und kletterten auf unsere Brustwehr, um von da auf uns zu springen. Wahrscheinlich machte die Witterung der hinter uns stehenden Pferde sie so toll. Ich befahl, wie zuvor, daß allemal nur der dritte Mann feuern sollte, und sie zielten so gut, daß gleich bei der ersten Salve einige Wölfe fielen. Trotzdem mußten wir weiterfeuern; denn sie sprangen an wie die Teufel, die hinteren immer über die vorderen weg.
Nach der zweiten Salve hofften wir, sie würden genug haben; aber es dauerte nur einen Augenblick, so rückten sie wieder an. Wir gaben daher zweimal Feuer aus unseren Pistolen, und meiner Schätzung nach müssen durch diese vier Salven siebzehn bis achtzehn getötet und mindestens doppelt so viele
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gelähmt worden sein. Trotzdem setzten sie von neuem an.
Ich zögerte, unseren letzten Schuß so bald zu verfeuern; deshalb rief ich meinen Diener, nicht meinen Freitag; der hatte Besseres zu tun, denn er hatte mit der allergrößten Geschwindigkeit mein Gewehr und sein eigenes wieder geladen, während wir feuerten; sondern, wie gesagt, ich rief meinen ändern Mann, gab ihm ein Pulverhorn und befahl ihm, auf dem ganzen Stamm entlang einen breiten Strich Pulver hinzustreuen. Er war kaum damit fertig, so waren die Wölfe wieder da und einige schon hinaufgeklettert. Geschwind hielt ich eine ungeladene, aber gespannte Pistole an das Pulver hin, drückte los und steckte so das Lauffeuer an. Die auf dem Stamme standen, wurden verbrannt; sechs oder sieben purzelten oder sprangen vor Angst oder von der Gewalt des Feuers geschleudert mitten unter uns und wurden sogleich totgeschlagen. Die übrigen hatten sich vor der Flamme, die in der finsteren Nacht noch fürchterlicher aussah, so entsetzt, daß sie ein Stück zurückwichen.
Ich ließ nun alle Mann zugleich die Pistolen losbrennen und dann ein großes Geschrei erheben.
Augenblicklich machten die Wölfe kehrt. Wir stürzten uns nun auf die etwa zwanzig lahmgeschossenen, die am Boden zappelten, und gaben ihnen mit dem Degen den Rest. Das half uns vollends; denn ihr
jämmerliches Winseln und Heulen fuhr ihren Vettern so in die Glieder, daß sie alle Reißaus nahmen.
Alles in allem hatten wir ihrer sechzig erlegt, und ich bin überzeugt, wenn es Tag gewesen wäre, so hätten
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noch mehr dran glauben müssen. Nachdem nun die Walstatt gesäubert und der Sieg errungen war, ritten wir, da wir noch eine deutsche Meile Wegs vor uns hatten,
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