Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Robinson Crusoe

Robinson Crusoe

Titel: Robinson Crusoe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Defoe
Vom Netzwerk:
einer der Schiffsladen gefunden, hatte aber keines bei mir, und das Boot war so weit entfernt, daß ich es nicht recht erkennen konnte, obwohl ich hinschaute, bis mir die Augen fast blind wurden und ich es aufgeben mußte.
    Ich beschloß jedoch, niemals mehr ohne Fernglas in der Tasche auszugehen.
    Als ich den Hügel hinab an das Ende der Insel kam, wo ich in der Tat noch nie gewesen war, wurde mir mit einem Male klar, daß Fußspuren auf dieser Insel nicht eben etwas so Seltenes waren, wie ich geglaubt hatte, und daß ich nur durch eine gütige Vorsehung gerade an den Teil der Insel verschlagen worden war, wohin die Wilden niemals kamen. Es ging mir nun ein Licht darüber auf, daß sie, wenn sie vom Festland aus mit
    -216-

    ihren Kanoes zu weit ins Meer gerieten, diese Seite der Insel gleichsam als Hafen anliefen, und auch, daß sie in ihren Kanoes ihre Kämpfe ausfochten und daß die Sieger ihre Gefangenen dann an diese Küste schleppten und nach ihrem schrecklichen
    Kannibalenbrauch totschlugen und fraßen. Doch hiervon später.
    Als ich nämlich vom Hügel herunter an die Küste, also, wie gesagt, an die Südwestspitze der Insel kam, sah ich mit tiefer Bestürzung, ja mit entsetzlichem, unbeschreiblichem Grauen, daß der Strand mit Schädeln, Händen, Füßen und anderen menschlichen Knochen bedeckt war, und in demselben Augenblick sah ich auch einen Platz, wo Feuer gebrannt hatte, und einen Kreis wie eine Kochgrube, wo offenbar die wilden Ungeheuer bei dem unmenschlichen Fest über den Leibern ihrer Mitmenschen gesessen hatten.
    Ich war über diesen Anblick so entsetzt, daß ich lange Zeit gar nicht an meine eigene Gefahr dachte.
    All meine Furcht wurde von der Vorstellung solcher viehischen, höllischen Roheit und der Empörung über solche Verwilderung der menschlichen Natur verdrängt.
    Obgleich ich oft genug davon gehört hatte, hatte ich mir doch nie einen Begriff davon gemacht. Kurzum, ich wandte mich von dem schrecklichen Schauspiel ab, mir wurde übel, und ich war eben daran, ohnmächtig zu werden, als die Natur sich half und ich mich mit solcher Heftigkeit erbrechen mußte, daß mir davon etwas leichter wurde. Aber ich konnte nicht einen Augenblick länger an dem Ort bleiben, sondern
    -217-

    stieg in aller Eile wieder auf den Hügel und schlug den Heimweg ein.
    Als ich ein Ende von dem Ort weg war, blieb ich eine Weile wie erstarrt stehen, und nachdem ich mich etwas erholt hatte, schaute ich mit der innigsten Ergriffenheit nach oben und dankte Gott mit einer Flut von Tränen in den Augen, daß er mich in einem Teil der Welt hatte geboren werden lassen, wo die Menschen, und also auch ich, keine solchen bestialischen Geschöpfe waren, und daß er, so jammervoll mir meine gegenwärtige Lage anfangs erschienen war, mir dennoch so viele Tröstungen hatte zuteil werden lassen, daß ich mehr zu danken als zu klagen hatte, vor allem dafür, daß er mich gerade in diesem elenden Zustand mit der Erkenntnis seiner selbst und der Hoffnung auf seinen Segen getröstet hatte -ein Glück, das all das Elend mehr als aufwog, das ich erduldet hatte und jemals noch erdulden konnte.
    In dieser dankbaren Stimmung ging ich heim in meine Burg und fühlte mich jetzt sicherer als je, da ich nun zu wissen glaubte, daß diese Unmenschen nie auf die Insel kamen, um nach Beute zu suchen.
    Nein, sie suchten und wollten und erwarteten sicherlich nichts hier, und zweifellos waren sie schon oft bis in den bewaldeten Teil der Insel
    heraufgedrungen, ohne etwas zu finden, was ihnen dienlich war. Ich war ja nun doch schon fast achtzehn Jahre hier und hatte in all der Zeit nicht die geringste Spur von menschlichen Fußstapfen gefunden, und so konnte ich gewiß noch weitere achtzehn Jahre so völlig verborgen bleiben, wie ich es jetzt war, da mir
    -218-

    nur daran lag, mich an meinem Ort völlig verborgen zu halten und mich nur dann bemerkbar zu machen, wenn etwa bessere Geschöpfe mir zu Gesicht kamen als diese Menschenfresser.
    Trotzdem blieb mir solcher Ekel vor diesen Wilden und ihrer scheußlichen Gewohnheit, sich gegenseitig zu verschlingen und zu fressen, daß ich ganz nachdenklich und schwermütig wurde und mich wohl zwei Jahre lang in meinem Bereich stille hielt. Wenn ich Bereich sage, so meine ich meine drei
    Siedelungen, nämlich meine Burg, meinen Landsitz und die Hürden im Walde. Diese meine Ziegenställe waren das einzige, worum ich mich kümmerte. Mein Abscheu vor jenen Höllenhunden war so groß, daß mir mehr graute, sie

Weitere Kostenlose Bücher