Robinson Crusoe (Illustrierte Ausgabe) - Defoe, D: Robinson Crusoe (Illustrierte Ausgabe)
mein Freund kleidete mich vom Kopf bis zu den Füßen. Jedermann kann sich denken, wie angenehm mir ein solches Geschenk in meiner Lage sein mußte, und dennoch vermag sich Niemand vorzustellen, wie unbehaglich, linkisch und verlegen ich mich anfangs fühlte, als ich diese Kleider angelegt hatte.
Nach unserer gegenseitigen Beglückwünschung, und nachdem jene guten Dinge alle in meine kleine Behausung gebracht waren, hielten wir Rat darüber, was mit unsern Gefangenen zu tun sei. Es war nämlich wohl zu erwägen, ob wir sie mit uns nehmen sollten oder nicht. Besonders galt das von zweien darunter, die unverbesserlich und widerspenstig im höchsten Grade waren. Der Kapitän versicherte, er kenne sie als solche Schurken, daß keine Wohltat sie zur Treue vermögen würde. Wenn wir sie mitnehmen wollten, so könne es nur so geschehen, daß sie, wie es Verbrechern zieme, in Ketten gelegt und der ersten besten englischen Kolonie, wo wir ans Land gingen, überliefert würden. Mit Rücksicht auf die Besorgnisse meines Freundes sagte ich ihm zu, ich wolle es übernehmen, die beiden in Rede stehenden Leute dahin zu bringen, daß sie selbst darum bitten sollten, auf der Insel zurückbleiben zu dürfen. »Das wäre mir sehr erfreulich«, entgegnete der Kapitän. »Gut«, erwiderte ich, »so will ich sie holen lassen und statt Eurer mit ihnen reden.«
Hierauf schickte ich Freitag und die beiden Geiseln, welche, nachdem ihre Kameraden sich treu bewährt hatten, gleichfalls von den Fesseln befreit waren, nach der Höhle und ließ sie die fünf Gefangenen in ihren Banden nach der Laube bringen. Bald darauf trat ich in meinem neuen Anzug dort ein, und zwar jetzt wieder in der Würde des Gouverneurs. Als wir alle versammelt waren, und der Kapitän sich gleichfalls eingefunden hatte, ließ ich die Gefangenen vorführen und hielt eine Ansprache an sie. Ich bemerkte darin, daß ihre schurkenhafte Handlungsweise mir vollständig bekannt sei. Ich wisse, daß sie mit dem Schiff entflohen und noch auf anderen Raub ausgegangen seien, daß aber die Vorsehung sie in ihrer eignen Schlinge gefangen und sie selbst in die von ihnen für Andere bereitete Grube habe fallen lassen. Auf meine Anordnung, sagte ich, sei das Schiff wieder erobert und liege jetzt auf der Rhede; sie würden demnächst ihren neuen Kapitän an der großen Raa baumeln sehen, auf daß er den gerechten Lohn seiner Schurkerei empfange. Hierauf fragte ich, was sie vorzubringen hätten dagegen, daß ich sie nicht gleichfalls als auf der Tat ertappte Seeräuber bestrafe, wozu mich meine amtliche Stellung unzweifelhaft berechtige.
Einer von ihnen antwortete im Namen der Übrigen, sie hätten darauf Nichts weiter zu erwiedern, als daß ihnen bei ihrer Gefangennehmung Schonung ihres Lebens versprochen sei und daß sie mich demütig um Gnade anflehten.
Darauf ich: »Ich weiß in der Tat nicht, was für eine Art von Gnade ich Euch erzeigen könnte. Denn was mich selbst angeht, so habe ich beschlossen, die Insel mit allen meinen Leuten zu verlassen und mich mit dem Kapitän nach England einzuschiffen. Der letztere kann Euch nicht mitnehmen, außer als Gefangene in Ketten, damit Euch für Eure Meuterei und die Desertion mit dem Schiffe der Prozeß gemacht wird. Das aber führt, wie Ihr selbst wissen werdet, notwendig zum Galgen. Deshalb weiß ich nichts Besseres für Euch, als daß Ihr Euch entschließt, hier auf der Insel Euer Glück zu machen. Ist das der Fall, so bin ich nicht abgeneigt, da ich die Macht habe, über die Insel zu verfügen, Euch das Leben zu schenken, wenn Ihr glaubt, dasselbe auf diesem Eilande fristen zu können.«
Die Gefangenen schienen außerordentlich dankbar hierfür zu sein und versicherten mich, sie wollten es weit lieber riskiren, hierzubleiben, als in England gehängt zu werden. Daher ließ ich es hierbei sein Bewenden haben. Der Kapitän jedoch schien Schwierigkeit zu machen, als ob er die Gefangenen nicht hier lassen dürfe. Das ärgerte mich ein wenig, und ich bemerkte ihm, die Leute seien meine Gefangenen und nicht die seinigen. Wenn ich ihnen einmal Begnadigung zugesagt hätte, so sei ich auch gut für mein Wort. Wenn er es nicht zufrieden sei, so würde ich sie in Freiheit setzen, wie ich sie gefunden hätte, dann möge er sie sich wieder einfangen, wenn es ihm gelänge. Sodann ließ ich die dankerfüllten Gefangenen losbinden, befahl ihnen, sich in die Wälder zurückzuziehen und die Stelle wieder aufzusuchen, woher sie vor Kurzem gekommen seien;
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