Robinson Crusoe (Illustrierte Ausgabe) - Defoe, D: Robinson Crusoe (Illustrierte Ausgabe)
Jemandem dort bekannt gewesen wäre. Meine treue Hauswirtin und Wohltäterin, der ich mein Geld anvertraut hatte, lebte noch, war aber in großes Mißgeschick geraten und befand sich, zum zweiten Male Wittwe geworden, in sehr dürftigen Umständen. Ich beruhigte sie in Bezug auf das, was sie mir schuldete, versicherte, daß ich sie darum nicht in Sorgen setzen wolle, erleichterte vielmehr zum Dank für ihre alte Liebe und Treue ihre Lage so gut, als meine geringen Mittel es damals gestatteten. Es war zwar nur wenig, was ich für sie tun konnte, doch sagte ich ihr zu, daß ich ihre frühere Freundlichkeit nicht vergessen werde. Das habe ich denn, wie an seiner Stelle erzählt werden soll, auch gehalten, sobald ich in die Lage kam, sie unterstützen zu können.
21. Reisen
B ald darauf begab ich mich in die Grafschaft York. Mein Vater und meine Mutter waren gestorben, und von meiner ganzen Familie lebte Niemand mehr als zwei von meinen Schwestern und zwei Kinder des einen meiner Brüder. Da man mich schon seit langer Zeit für tot gehalten, war ich auch bei der Erbteilung des väterlichen Nachlasses nicht berücksichtigt worden. So hatte ich denn so viel als Nichts zu meinem Lebensunterhalt, denn das wenige Geld, was ich bei mir führte, konnte nicht hinreichen, mir eine Existenz zu gründen.
Jetzt aber erfuhr ich einen unerwarteten Beweis von Dankbarkeit. Der Schiffskapitän, den ich nebst seinem Schiff und dessen Ladung so glücklich gerettet, hatte dem Schiffseigner einen getreuen Bericht von der Art, wie ich ihn und sein Fahrzeug erhalten hatte, abgestattet. Dieser nebst einigen anderen beteiligten Kaufleuten forderten mich hierauf zu einer Zusammenkunft auf, sagten mir in dieser auf höfliche Weise ihren Dank und machten mir ein Geschenk von beinahe zweihundert Pfund Sterling.
Als ich nach reiflicher Überlegung einsah, wie wenig auch dieses Geld zur Sicherung meiner Existenz genügen könne, beschloß ich nach Lissabon zu reisen, um zu versuchen, ob ich dort nicht Kunde über den Zustand meiner Plantage in Brasilien erhalten und erfahren könne, was aus meinem Compagnon geworden sei. Bezüglich des letzteren mußte ich annehmen, daß er mich schon Jahre lang für tot gehalten habe. So schiffte ich mich denn nach Lissabon ein und kam im April daselbst an. Freitag begleitete mich getreulich auf allen meinen Fahrten und bewährte sich bei jeder Gelegenheit als ein zuverlässiger Diener. In der portugiesische Hauptstadt machte ich zu meiner großen Freude meinen alten Freund, jenen Schiffskapitän, ausfindig, der mich einst an der afrikanischen Küste in sein Fahrzeug aufgenommen hatte. Er war inzwischen ein Greis geworden, hatte das Seeleben aufgegeben und sein Schiff seinem auch schon bejahrten Sohne übergeben, welcher noch immer nach Brasilien Handel trieb. Der alte Mann erkannte mich anfangs nicht, wie auch ich ihn nur mit Mühe wieder erkannte. Jedoch erinnerte ich mich sehr bald seiner Züge, und auch in dem Gedächtnis des Kapitäns tauchte die Erinnerung an mich, sobald ich meinen Namen genannt, wieder auf.
Nachdem wir uns herzlich begrüßt, war begreiflicher Weise meine erste Frage nach meiner Plantage und nach meinem Compagnon. Der Alte erwiderte, er selbst sei seit fast neun Jahren nicht in Brasilien gewesen; bei seiner letzten Abreise von dort habe aber mein Compagnon noch gelebt; dagegen seien die beiden Leute, die ich ihm beigeordnet, um meine Interessen zu wahren, schon damals tot gewesen. Indes glaube er, daß ich gute Kunde über das Wachstum meiner Pflanzung erhalten würde. Denn nachdem man allgemein angenommen, ich sei bei einem Schiffbruch ertrunken, hätten meine beiden Vertrauensmänner die Berechnung über die Einkünfte meiner Pflanzung dem Fiscalprocurator übergeben, der für den Fall, daß ich nicht zurückkehre und es einfordere, mein Eigentum zu einem Drittel an den König, zu zwei Dritteln an das Kloster des heiligen Augustinus abgeliefert habe; an das letztere, damit es zu Almosen und für die katholische Mission unter den Indianern verwendet werde. Käme ich aber oder ein von mir Bevollmächtigter, um die Hinterlassenschaft zu fordern, so würde dieselbe zurückerstattet werden, ausgenommen die zu mildtätigen Zwecken bereits verwendeten Beträge, welche nicht ersetzt werden könnten. Dabei versicherte er mich, der königliche Beamte, der die Staatseinkünfte zu verwalten habe, wie auch der Vorsteher jenes Klosters hätten stets mit großer Sorgfalt darauf gehalten, daß der
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