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Robinson Crusoe (Illustrierte Ausgabe) - Defoe, D: Robinson Crusoe (Illustrierte Ausgabe)

Robinson Crusoe (Illustrierte Ausgabe) - Defoe, D: Robinson Crusoe (Illustrierte Ausgabe)

Titel: Robinson Crusoe (Illustrierte Ausgabe) - Defoe, D: Robinson Crusoe (Illustrierte Ausgabe) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Defoe
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Erfahrungen seiner Güte gegründet war, fiel nun über den Haufen, als ob er, der mich bisher durch Wunder ernährt hatte, nicht auch Macht habe, die Nahrungsmittel, die seine Gnade mir gespendet hatte, zu beschützen. Ich machte mir Vorwürfe über meinen Leichtsinn, daß ich nicht mehr Getreide jedes Jahr gesäet hatte, als was gerade bis zur nächsten Ernte ausreichend war, wie wenn kein Unfall mich jemals verhindern könnte, das Korn, was noch auf dem Felde stand, einzuheimsen. Dieser Vorwurf erschien mir so gerechtfertigt, daß ich mir vornahm, künftig immer Sorge zu tragen, auf zwei bis drei Jahre im Voraus versorgt zu sein, damit ich, was auch sonst kommen möge, wenigstens nicht zu verhungern brauchte.
    Was für ein seltsames Gebilde der göttlichen Hand ist doch das Leben des Menschen! Durch wie verschiedene geheime Triebfedern werden seine Neigungen je nach den eben obwaltenden Umständen hin und her bewegt! Heute lieben wir das, was wir morgen vielleicht hassen; suchen das heute auf, was wir morgen vermeiden; wünschen jetzt, was wir gleich darauf fürchten, ja wovor wir beim bloßen Gedanken daran zittern. Das bewährte sich jetzt auch an mir auf das Alleraugenfälligste. Denn ich, dessen einziger Kummer darin bestanden hatte, daß ich aus der menschlichen Gesellschaft ausgestoßen und verurteilt schien, einsam und allein, nur umgeben von dem unermeßlichen Ozean zu leben, abgeschnitten von allem Verkehr und verdammt in einem sozusagen stummen Dasein zu existieren, als hätte der Himmel mich nicht für würdig gehalten, zu den Lebenden gezählt zu werden oder unter seinen übrigen Geschöpfen zu wandeln, ich, dem der Anblick eines Wesens meines Gleichen als eine Auferweckung vom Tode zum Leben hätte erscheinen müssen und als der größte Segen, den der Himmel, nächst der ewigen Erlösung selbst, mir hätte angedeihen lassen können, – ich erzitterte jetzt bei der bloßen Vorstellung, einen Menschen zu sehen, und hätte in die Erde sinken mögen bei der bloßen Vermutung, bei dem stummen Zeichen, daß ein Mensch die Insel betreten hatte.
    So wandelbar ist das Menschenherz. Als ich mich von meinem ersten Schrecken einigermaßen erholt hatte, stellte ich mancherlei merkwürdige Betrachtungen an. Ich bedachte, daß der allweise und allgütige Gott diese Lebenslage für mich ausersehen habe, und daß, da ich nicht voraussehen könne, welche Absichten die göttliche Weisheit mit allem diesem verfolge, es mir nicht zustehe, ihrer Anordnung zu widerstreben. Hatte denn Gott nicht über mich, als über sein Geschöpf, das unbestreitbare Recht unbedingter Verfügung, wie es ihm gefiel, und hatte ich ihn nicht überdies erzürnt und dadurch seine Gerechtigkeit herausgefordert, eine Strafe, wie er sie für angemessen hielt, über mich zu verhängen? War es nicht meine Schuldigkeit, mich seiner Ungnade zu unterwerfen, weil ich gegen ihn gesündigt hatte? Dann überdachte ich ferner, daß Gott, der ja nicht allein gerecht, sondern auch allmächtig ist, ebenso gut, wie er mich auf diese Weise strafte und heimsuchte, mich ja auch befreien könne, und daß, wenn er nicht für angemessen halte, das zu tun, es meine unzweifelhafte Pflicht sei, mich ganz unbedingt in seinen Willen zu ergeben; und wie es andererseits wieder meine Schuldigkeit sei, auf ihn zu hoffen, zu ihm zu beten und demütig den täglichen Weisungen und Winken seiner Vorsehung zu gehorchen.
    Diese Gedanken beschäftigten mich viele Stunden, Tage, ja, ich möchte sagen, Wochen und Monate. Auch noch eine besondere Wirkung solcher Betrachtungen auf mich will ich bei dieser Gelegenheit mitteilen. Als ich nämlich eines Morgens im Bette lag und durch meine Gedanken von der Gefahr, welche die Erscheinung von Wilden für mich mit sich brächte, sehr aufgeregt war, da fielen mir plötzlich wieder die Worte der heiligen Schrift ein: »Rufe mich an in der Not und ich will dich erretten und du sollst mich preisen«. Da konnte ich nicht allein getrösteten Herzens fröhlich mein Lager verlassen, sondern ich fand auch Kraft und Mut, Gott inbrünstig um Errettung zu bitten. Als ich mein Gebet beendigt hatte, nahm ich meine Bibel zur Hand, und die ersten Worte, auf die meine Augen fielen, als ich sie aufschlug, waren: »Harre des Herrn, sei getrost und unverzagt und harre des Herrn«.
    Diese Worte gewährten mir unbeschreiblichen Trost. Ich legte mit dankbaren Gefühlen das Buch hin und war wenigstens für den Augenblick nicht mehr traurig.
    Mitten in diesen

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