Robinson Crusoe
Endlich löste sich der Drang in Tränen, und bald darauf kam mir die Sprache wieder.
Nun war die Reihe an mir, ihn als meinen Befreier zu umarmen, und wir lachten und weinten miteinander. Ich sagte ihm, ich sähe in ihm einen vom Himmel zu meiner Befreiung Gesandten, und das Ganze erschien mir als eine Kette von Wundern; solche Geschehnisse wie diese zeugten dafür, daß eine unsichtbare Hand die Welt regiere, und bewiesen, daß das Auge der Allmacht bis in die entlegensten Winkel der Welt zu schauen und den Unglücklichen Hilfe zu senden vermöge, wann immer es ihr gefiele.
Ich vergaß nicht, mein Herz in Dankbarkeit zum Himmel zu erheben; und welches Herz hätte es auch unterlassen können, ihn zu segnen, der nicht nur in diesem Falle in einer solchen Wildnis und einer solchen Verlassenheit so Wunderbares gewirkt hatte, sondern von dem jegliche Errettung und Erlösung kommt!
Endlich sagte der Kapitän zu mir, er habe mir einige Erfrischungen mitgebracht, soviel deren noch im Schiff vorhanden und nicht von den Buben, die so lange darin geschaltet hätten, geplündert seien. Darauf rief er seinen Leuten im Boote zu, sie sollten die Sachen für den Gouverneur an Land bringen. Das Geschenk war derart, als ob ich nicht mit ihnen wegfahren, sondern weiterhin auf der Insel wohnen bleiben sollte.
Erstlich hatte er mir eine Kiste mit Flaschen voll ausgezeichneten Kordialwassers mitgebracht, sechs große Flaschen Madeirawein, je zwei Quart fassend, zwei Pfund vorzüglichen Tabak, zwölf Stücke Rindfleisch und sechs Stücke Schweinefleisch, nebst einem Sack Erbsen und etwa hundert Pfund Zwieback. Ferner brachte er mir eine Kiste Zucker, eine mit Mehl, einen Sack voll Zitronen nebst zwei Flaschen Zitronensaft und eine Menge anderer Dinge, vor allem aber, was mir tausendmal wertvoller war, ein halb Dutzend neuer Hemden, ebenso viele Halstücher, zwei Paar Handschuhe, ein Paar Schuhe, einen Hut, ein Paar Strümpfe und einen sehr guten Anzug aus seiner eigenen Garderobe, der noch fast wie neu war. Mit einem Wort: er kleidete mich von Kopf bis zu Fuß ein. Es war, wie man sich denken mag, für einen Menschen in meiner Lage ein sehr liebes und willkommenes Geschenk; und dennoch war mir nie in aller Welt etwas so unangenehm, unbehaglich und lästig wie diese Kleider, als ich sie zuerst anzog.
Nachdem dieser feierliche Vorgang beendet und alle die guten Dinge in meiner Behausung geschehen waren, gingen wir zu Rate, was mit unseren Gefangenen geschehen sollte; denn es war eine wichtige Frage, ob wir es wagen sollten, sie mitzunehmen, besonders zwei, die der Kapitän als unverbesserlich und widerspenstig kannte. Er wisse bestimmt, sagte er, daß alle Güte an diesen Schurken verloren sei, und wenn er sie mitnähme, so müsse er sie als Verbrecher in Eisen legen, um sie in der ersten englischen Kolonie den Gerichten zu überliefern. Ich merkte, daß ihm dieser Gedanke sehr unbehaglich war. Ich erwiderte daher, wenn es ihm ernst sei, wolle ich mich getrauen, die beiden soweit zu bringen, daß sie selber darum bitten würden, sie hier auf der Insel zu lassen. «Das wäre mir von Herzen lieb!» sagte der Kapitän.
«Gut», fuhr ich fort, «ich will nach ihnen schicken und mit ihnen reden.» Ich befahl also Freitag und den zwei Geiseln, zu der Höhle zu gehen und die fünf Mann, gefesselt, wie sie waren, in das Landhaus zu bringen und dort zu bewachen, bis wir kämen.
Nach einer Weile erschien ich dort zusammen mit dem Kapitän in meinen neuen Kleidern als Gouverneur, ließ die Burschen vorführen und sagte zu ihnen, der Kapitän habe mir über ihr schurkisches Verhalten gegen ihn ausführlichen Bericht erstattet und wie sie mit dem Schiff durchgegangen seien und sich nun zu neuen Räubereien gerüstet hätten. Aber die Vorsehung habe sie auf ihren eigenen Schlichen gefangen und sie selber in die Grube gestürzt, die sie anderen gegraben hätten. Ich eröffnete ihnen, daß das Schiff auf meinen Befehl zurückerobert sei und nun auf der Reede vor Anker liege; sie würden sich bald mit eigenen Augen davon überzeugen können, daß der neue Kapitän den Lohn für sein Verbrechen empfangen habe; sie könnten ihn am RahEnde baumeln sehen.
Was sie selber angehe, so wünschte ich zu wissen, was sie vorzubringen hätten, warum ich sie nicht als auf der Tat ertappte Seeräuber exekutieren sollte. Sie zweifelten doch wohl nicht, daß ich kraft meines Amtes die Gewalt dazu hätte.
Einer von ihnen antwortete mir im Namen der anderen, sie hätten
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