Robinson Crusoe
mich die gleiche war, und so glücklich in meiner Unkenntnis von der Gefahr, als ob sie gar nicht vorhanden gewesen wäre. Das gab mir Anlaß zu vielen nutzbringenden Überlegungen, besonders dieser, wie unendlich gütig es von der Vorsehung ist, daß sie der Wahrnehmung und dem Wissen der Menschen so enge Grenzen gesteckt hat; denn obwohl sein Weg von so vielen tausend Gefahren umgeben ist, deren Anblick, wenn sie ihm offenbart würden, sein Gemüt verstören und sein Herz entmutigen würden, so bleibt ihm doch seine Ruhe und Heiterkeit bewahrt dadurch, daß die Ereignisse seinen Augen verborgen gehalten werden und er nichts von den Gefahren weiß, die ihn umgeben.
Nachdem diese Gedanken mich eine Weile beschäftigt hatten, begann ich ernstlich über die Gefahr nachzudenken, in der ich wirklich so viele Jahre lang auf dieser Insel geschwebt hatte, und wie ich in völligem Sicherheitsgefühl und mit der größten Ruhe hier umhergewandert war, während vielleicht nur eine Anhöhe oder ein großer Baum oder die gerade hereinbrechende Dunkelheit zwischen mir und dem fürchterlichen Schicksal gestanden hatten, dem Schicksal nämlich, in die Hände von Kannibalen und Wilden zu fallen, die mich genau so gefangen haben würden, wie ich eine Geiß oder Schildkröte fing, und es genau sowenig für ein Verbrechen gehalten hätten, mich zu töten und aufzufressen, wie ich es für verbrecherisch hielt, eine Taube oder dergleichen zu verspeisen. Es wäre ungerecht gegen mich selbst, wenn ich sagen würde, daß ich nicht aufrichtig von Dank erfüllt war gegen meinen großen Erhalter und nicht in tiefer Demut anerkannte, daß ich seinem wunderbaren Schutz allein alle diese mir unbewußt gebliebenen Errettungen zu verdanken hatte, ohne die ich unfehlbar in die erbarmungslosen Hände der Wilden gefallen wäre.
Nachdem diese Betrachtungen beendet waren, beschäftigte mein Kopf sich eine Zeitlang damit, über die Wesensart dieser nichtswürdigen Kreaturen, die Wilden, meine ich, nachzudenken, und wie es in der Welt geschehen könne, daß der weise Lenker aller Dinge es zuließ, daß einige seiner Geschöpfe so unmenschlich, ja so tierisch und schlimmer als tierisch sein konnten, ihresgleichen aufzufressen: aber da dies nur in allerlei (zurzeit fruchtlosen) Spekulationen endete, kam mir der Gedanke, ausfindig zu machen, in welchem Teil der Welt diese Wilden lebten, wie weit die Küste war, von der sie herüberkamen, warum sie sich so weit von ihrer Heimat wegwagten, was für Boote sie hatten und ob es mir nicht ebensogut möglich sein sollte, dorthin zu gelangen, wie sie hierherkamen.
Ich machte mir weiter kein Kopfzerbrechen darüber, was ich tun wollte, wenn ich hinüberkäme; was aus mir werden sollte, wenn ich den Wilden in die Hände fiele; wie ich ihnen entgehen sollte, wenn sie mich angriffen, oder wo ich, wenn ich ihnen wirklich entging, etwas zu essen hernehmen, ja wo ich überhaupt meinen Kurs hinlenken sollte. Mein Kopf war ganz voll von dem einen Gedanken, mit meinem Boot ans Festland hinüberzukommen. Meine gegenwärtige Lage erschien mir als die elendeste, die sich denken ließ, und mir konnte schließlich nichts Schlimmeres begegnen als der Tod. Erreichte ich wirklich das Festland, so könnte ich vielleicht an der Küste entlang fahren, wie ehemals an der afrikanischen Küste, bis ich zu einem bewohnten Land käme, wo ich Unterkunft finden würde; ja, vielleicht würde ich auch einem christlichen Schiff begegnen, das mich aufnehmen würde, und käme es wirklich zum Schlimmsten, nun, so würde ich eben sterben und damit allem Jammer mit einem Male ein Ende machen.
Bedenke bitte, mein Leser, daß dies alles die Ausgeburt eines verstörten, ungeduldigen Gemüts war, das fast zur Verzweiflung getrieben war durch die schon so lange währende Beunruhigung und durch die Enttäuschung, die ich in dem Wrack erfahren halte, als ich dort an Bord war und so recht daran war, das zu finden, wonach ich mich so sehr gesehnt hatte: nämlich jemanden, mit dem ich reden und von dem ich Näheres über die Lage meiner Insel und die Möglichkeiten meiner Befreiung erfahren konnte. Durch alles das, sage ich, war ich ganz aufgewühlt. Mit all meiner stillen Ergebung in den Willen der Vorsehung, mit allem ruhigen Abwarten, wohin die Anordnungen des Himmels führen würden, schien es für jetzt vorbei, und es war, als hätte ich nicht mehr die Kraft, meine Gedanken auf irgend etwas anderes zu richten als auf den Plan einer Fahrt nach dem Festland,
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