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Robinson Crusoe

Robinson Crusoe

Titel: Robinson Crusoe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Defoe
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meinem kleinen Boot um mich geschehen wäre. Diese Gedanken bedrückten mich so, daß ich die Fahrt aufzugeben beschloß. Ich brachte mein Boot in einer kleinen Bucht an Land, stieg aus und setzte mich nachdenklich und kummervoll auf eine kleine Erhöhung nieder, zwischen Furcht und Verlangen schwankend. Indes ich noch grübelte, bemerkte ich, daß die Flut nahte, so daß meine Abfahrt sowieso für mehrere Stunden unmöglich wurde. Zugleich kam mir plötzlich der Gedanke, auf einen möglichst hohen Hügel zu steigen, die Richtung der Gezeiten zu beobachten und festzustellen, ob nicht, falls ich durch die Strömung hinausgetrieben wurde, die auflaufende Flut mich wieder zurücktragen würde.
Kaum hatte ich diesen Gedanken gefaßt, so erblickte ich auch schon einen Hügel, von dem aus ich die See nach beiden Seiten hin überblicken und die Strömungen und den Wechsel der Gezeiten deutlich erkennen konnte. Ich fand, daß die Ebbströmung auf der südlichen Seite der Insel lief, während die Flutströmung nahe an der Nordküste vorbeiging, so daß ich bei der Rückkehr also nur nach der Nordseite der Insel zu steuern brauchte, um außer aller Gefahr zu bleiben.
Ermutigt durch diese Beobachtung, beschloß ich, am nächsten Morgen mit der ersten Flut hinauszufahren und für diese Nacht im Kanoe unter einem der erwähnten großen Wachtmäntel zu schlafen. Anfangs hielt ich mich eine Weile ganz nach Norden, bis ich den Trieb der Strömung fühlte, die ostwärts lief und mich mit großer Schnelligkeit fortriß, jedoch nicht so gewaltig wie damals der südliche Strom, so daß ich die Herrschaft über das Boot nicht verlor, sondern durch kräftiges Steuern die Richtung halten konnte. So kam ich mit großer Fahrt in weniger als zwei Stunden geradenwegs zu dem Wrack.
Es war ein trauriger Anblick. Das Schiff, das seiner Bauart nach ein spanisches war, saß fest zwischen zwei Klippen eingekeilt. Das ganze Heck und Achterdeck war durch die Wucht der See völlig zerschlagen, und da der Bug mit großer Heftigkeit auf die Klippen gestoßen war, waren der Großmast und der Vormast dicht über Deck abgebrochen. Aber das Bugspriet war noch unversehrt. Als ich näher kam, erschien oben an Bord ein Hund, der bei meinem Anblick laut heulte und bellte und, sobald ich ihn anrief, über Bord sprang und auf mich zu schwamm. Ich nahm ihn in mein Boot und fand ihn halbtot vor Hunger und Durst. Ich gab ihm ein Stück Brot, das er wie ein Wolf verschlang, der vierzehn Tage im Schnee gehungert hat. Dann gab ich dem armen Tier etwas frisches Wasser, von dem er am liebsten so viel getrunken hätte, daß er geplatzt wäre.
Hierauf ging ich an Bord. Das erste, was ich sah, waren zwei Ertrunkene in der Kombüse, die ihre Arme umeinandergeschlungen hatten. Daraus schloß ich, die See müsse bei dem Schirrbruch im Sturm so hoch gegangen und so unablässig über das Schiff hereingebrochen sein, daß die Menschen es nicht aushaken konnten, sondern alle erstickten und ertranken, als ob sie unter Wasser gewesen wären. Außer dem Hund war nichts Lebendes mehr an Bord und, soviel ich sehen konnte, auch keinerlei Schiffsgut, das nicht vom Wasser verdorben gewesen wäre. Einige Fässer voll irgendwelcher Flüssigkeit, ob Wein oder Schnaps, wußte ich nicht, lagen tiefer unten im Laderaum; ich konnte sie sehen, als das Wasser verebbt war; aber sie waren zu groß, um ihnen beizukommen. Ich sah auch einige Kisten, die vermutlich Matrosen gehört hatten; zwei von ihnen nahm ich in mein Boot, ohne zu untersuchen, was darin war.
Hätte sich das Heck des Schiffes festgerannt und der Vorderteil wäre weggebrochen, so würde ich allem Anschein nach einen guten Fang gemacht haben; denn nach dem zu urteilen, was ich in diesen beiden Kisten fand, führte das Schiff sehr wertvolle Ladung an Bord. Nach seinem Kurs zu schließen, war es wohl auf der Fahrt von Buenos Aires oder Rio de la Plata aus über Brasilien hinauf durch den Golf von Mexiko nach Havanna und vielleicht bis nach Spanien gewesen. Es führte, wie gesagt, ohne Zweifel große Schätze mit sich; aber jetzt waren sie keinem Menschen mehr nütze; und was aus dem Rest der Besatzung geworden war, wußte ich damals noch nicht.
Außer diesen beiden Kisten fand ich zwei kleine Fässer von etwa zwanzig Gallonen, die ich mit großer Mühe in mein Boot schaffte. Außerdem hingen noch einige Musketen in einer Kabine und ein großes Pulverhorn mit ungefähr vier Pfund Pulver. Da ich für die Musketen keine Verwendung hatte,

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