Robolution
genug Pilot gewesen, um die meisten Schiffe dieser Größenordnung in- und auswendig zu kennen. Er spürte sie. Wusste, wann wo welcher Defekt auftrat und wie lange ihm, je nachdem, ob es sich um Ultra- oder Sternenstahl oder um neumodische Verbindungen wie Omniminium handelte, nach dem ersten Riss in der Außenhülle blieb.
Abgesehen von Gauss und seinem gegenwärtigen Arbeitgeber hatte er auch für einige andere gearbeitet. Selbst für den einen oder anderen, der offiziell nicht einmal existierte. Die Konzerne schätzten Trent, seine Kühnheit und die diskrete Kompetenz, denn wenn es um neue Antriebe ging, war Geheimhaltung das oberste Gebot. Wer danach trachtete, dem TransMatt-Monopol der TTMS etwas entgegenzusetzen, der tat es besser so lange wie möglich im Geheimen. Wenn die falschen Leute von ihnen erfuhren, explodierten Labors und Fertigungsstätten für neue Technologien recht schnell. Den meisten Raum in Trents Verträgen nahmen dementsprechend auch Verschwiegenheitsklauseln ein, und die besagten im Großen und Ganzen, dass die Konzerne jedes seiner Organe verkaufen und den Rest einem Rudel wilder virgilisischer Windhundaliens zum Fraß vorwerfen durften, wenn er redete. Aber Trent war dafür bekannt, seine Verträge zu erfüllen. Darum überboten sich Konzerne regelmäßig, wenn irgendein neues Schiff in die Erprobungsphase ging. Ion Trent war Mr. Testflug, und tatsächlich hatte er einen großen Anteil der gegenwärtig verwendeten Raumfahrttechnologien als Erster ins All hinausgeflogen.
Inzwischen hatte 2OT Technology ihn allerdings fest unter Vertrag. Der Konzern hatte ihm ein Angebot unterbreitet, das auszuschlagen vollkommen unmöglich gewesen wäre. Die neue Untersparte des Konzerns, die sich ausschließlich mit experimenteller Antriebstechnologie befasste, war seine Chance auf einen frühen Ruhestand. Die kürzlich erfolgte Gründung von 2OT Drive Technology Ltd. hatte einiges an Sternenstaub aufgewirbelt. Auf jedem Testflug ruhten seither die wachsamen Blicke von Konzerngiganten wie TTMS und Gauss , denen jede Innovation in diese Richtung ein Dorn im Auge war …
Natürlich hatte man Trent einiges für seinen Ausstieg geboten: Schutz, Geld und mehr. Er hätte nur den Kurs des Shuttles ändern und dort landen müssen, wo man den Antrieb ausbauen und untersuchen konnte. Er aber stand zu seinen Verträgen. Immer.
Wenn man einmal von dem ganzen intriganten Konzerngeklüngel absah, war der Job einfach: Man musste nur wissen, wann man aussteigen musste. Es ging um nichts anderes als Timing. Mut war dabei das eine, die Kenntnis der Grenzen das andere. Ion Trent verfügte über beides und darüber hinaus natürlich über die kraft-, reflex- und präzisionsverstärkte Omniprot Pro9G, die vermutlich mehr wert war als die meisten Schiffe, in denen er bis heute gesessen hatte.
Er betrachtete die kybernetische Prothese, führte die künstlichen Finger über die schadhaften Bedienelemente des Schiffs und versuchte noch einige sinnvolle Werte zu erhalten. Seit der Zuschaltung des Antriebsaggregats waren noch keine zwanzig Minuten vergangen. Die zurückgelegte Strecke war bemerkenswert. Er war beeindruckt. Es war mehr, als er auf den beiden vorangegangenen Flügen zusammen geschafft hatte. Was immer dieses Schiff antrieb, würde die Bosse dort draußen zittern lassen. Das Ding hatte Wumms, genau genommen sogar ein wenig zu viel. Denn die von ihm ausgehenden Umgebungskräfte, Rückstoß und Mikrovibrationen schadeten nicht nur der Schiffshülle, sondern auch den außen liegenden Teilen des Antriebs. Die Geschwindigkeit zu verringern, war jedoch keine Option. Trent war nicht hier, um zu bremsen. Er kontrollierte die Anzeige auf einem der letzten funktionierenden Screens. Fünfundsiebzig Prozent Schiffsintegrität.
Als sie auf vierundsiebzig sank, betätigte er den kleinen totenkopfförmigen Timer, den er wie üblich zu Beginn des Flugs über die Instrumententafel gehängt hatte. Auf dem Schädel hatte er eine Siebenunddreißig eingeritzt, die exakte Anzahl der von ihm getesteten neuen Technologien. Sprungtriebwerke, Schubtriebwerke und alles andere, was einen von einem Sonnensystem ins nächste brachte. Siebenunddreißig Mal hatte er für ein paar C sein Leben riskiert. Beim vierzigsten würde er Schluss machen. Das war der Plan.
Als der Totenkopftimer einen Countdown von zwei Minuten begann, spürte Trent, wie das Adrenalin durch seine Adern toste. Russisches Hightech-Roulette in den Weiten des Alls: Das war
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