Rockerkrieg: Warum Hells Angels und Bandidos immer gefährlicher werden - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
sind die Hells Angels, die Bandidos, der Gremium MC und die Outlaws die führenden und mitgliederstärksten Banden der Szene.
Der Leitende Kriminaldirektor Bernd Finger ist ein Kenner des Milieus, seit Jahren begleitet der Chef der Abteilung für Organisierte Kriminalität im Berliner Landeskriminalamt die Entwicklung der Clubs. Sein Wort hat Gewicht in der Hauptstadt-Polizei. Für den grauhaarigen Ermittler ist klar, dass »die Rockergangs ihre regionalen Territorien, die sie mit einem Machtanspruch belegen, nach ihren kriminellen Interessen verteilen«.
Dabei kommt es immer wieder zu schweren Auseinandersetzungen, auf die der Staat seit geraumer Zeit angemessen zu reagieren versucht. Ein erster Schritt ist die Identifizierung des Problems. In einem vertraulichen Bericht der Innenministerkonferenz (» VS – Nur für den Dienstgebrauch«) wird 2010 die »Entwicklung eines ganzheitlichen und länderübergreifenden strategisch-taktischen Rahmenkonzeptes zur Bekämpfung der Rockerkriminalität« angeregt. Die Handlungsanweisung einer Bund-Länder-Projektgruppe mit dem Titel »Bekämpfungsstrategie Rockerkriminalität – Rahmenkonzeption«, im Behördenjargon » BLPG BR-RK « genannt, umfasst 64 Seiten. Es geht um Sprachregelungen, Definitionslisten, Handlungsempfehlungen und Leitlinien.
Kein Wunder, dass der Bericht so umfangreich ist, ist doch der Outlaw-Rocker in seinem natürlichen Lebensraum ein eher unbekanntes Wesen. Die Polizei weiß nur wenig über seine Ziele, kann nur schlecht einschätzen, wann er kooperiert und wann er schießt. Rocker sind klandestin organisiert und kaum soziologisch untersucht. Einer breiteren Öffentlichkeit bekannt sind meist nur die örtlichen Chefs, Präsidenten genannt. Seit einiger Zeit gibt es bei den deutschen Hells Angels eine eigene Presseabteilung, das » PR -Team 81«. Die 8 steht für den achten Buchstaben im Alphabet, die 1 für den ersten, HA gleich Hells Angels.
Allein in der Hauptstadt soll es 1000 Rocker der verschiedenen OMCG s geben, 800 von ihnen kennt die Berliner Polizei. Mit Namen und vom Angesicht. Doch die Informationsbeschaffung aus dem inneren Kreis der Clubs ist nicht so einfach, die Gewinnung von sogenannten VP s, von Vertrauenspersonen, gestaltet sich schwierig. Wer will schon der Polizei Vertrauen schenken, wenn ihm nach Enttarnung seiner Spitzeltätigkeit der Tod droht.
In dem polizeilichen Rahmenkonzept heißt es, dass sich das Phänomen der Rockerkriminalität von anderen Kriminalitätsformen in einigen wesentlichen Punkten unterscheide. Ganz oben stehen dabei der hohe Organisationsgrad und die enorme Gewaltbereitschaft gegen »Personen und Sachen unter Hinnahme eines erheblichen Eigenrisikos«. Rocker prügeln ohne Rücksicht auf Verluste.
Die Zusammenarbeit mit Polizei und Justiz ist gleich null. Es gilt das Gesetz des Schweigens, wie bei der Mafia. Was den Ermittlern zudem besonders auffällt, ist »das gezielte Herbeiführen von gewalttätigen Auseinandersetzungen, zumeist mit anderen Rockerclubs«. Außerdem, und auch das hebt sie eben von vielen anderen kriminellen Gruppen ab, verfügen alle großen Banden über »ein bundesweit und international außerordentlich gut funktionierendes Netzwerk«. Letzteres erleichtert zum Beispiel den Drogenhandel, wie sich später noch zeigen wird.
Natürlich kennen auch Deutschlands führende Rocker das Polizeipapier und bieten es zwischenzeitlich sogar auf einer ihrer Internetseiten zum Download an. So wissen sie zwar, warum der Staat etwas macht, aber nur selten wann.
Erwarte keine Gnade – Rocker als Subkultur
»God forgives, Bandidos don’t«, lautet eine Devise des Motorradclubs: Gott vergibt, Bandidos nicht. Auf das alttestamentarische Prinzip der Blutrache (»Auge um Auge, Zahn um Zahn«) können sich alle Angehörigen und Unterstützer der sogenannten Outlaw Motorcycle Gangs einigen, auch wenn sie sich sonst spinnefeind sind. Die Rocker vertrauen nicht auf die Rechtsprechung der Justiz, sondern regeln ihre gegenseitigen Animositäten lieber unter sich. Fast alle schwerwiegenden Straftaten zwischen Rockern in den vergangenen Jahren waren Racheakte für vorausgegangene Übergriffe. Über lange Zeit drehte sich die Spirale der Gewalt immer schneller, Verhandlungen konnten allenfalls kurzzeitige Entlastung bringen.
Ein mindestens ebenso ehernes Gesetz wie das Prinzip der Blutrache und die Ablehnung des Staates ist die Rockerpflicht, für das Ansehen des eigenen Clubs einzustehen. Verteidige ich
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