Rockerkrieg: Warum Hells Angels und Bandidos immer gefährlicher werden - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
Bandidos geht es oft schneller, denn sie wollen im Konkurrenzkampf mit den Angels nicht verlieren. In der Hauptstadt waren es ab 2009 in der Regel junge Männer mit ausländischen Wurzeln, die zu den Bandidos strömten. Schnell Masse zu machen war jedoch ein Irrweg, wie sich bald zeigen würde.
Guten Tag, ich möchte Rocker werden – ein Exkurs
Wenn Sie vorhaben, in eine der Banden einzutreten, sollten Sie angstfrei sein, mit ihren Oberarmen Nüsse knacken können und ein Motorrad besitzen. Bei den Hells Angels muss es eine Harley-Davidson sein. Die fährt stramm geradeaus, gebaut für den Ritt gen Westen. Nur mit den Kurven hapert es. Ganz wichtig: Sie dürfen keine Maschine von der Stange nehmen. Am besten irgendwas vom Schrauber Geschraubtes. Sollten Sie länger nicht gefahren sein, dann bietet Harley-Deutschland »Wiedereinsteiger-Kurse« für 30 Euro an.
Ratterknatter geht es dann mit dem Zweizylinder zum Vereinsheim. Das zu finden ist nicht so einfach. Im Telefonbuch und den Gelben Seiten gibt’s keinen Hinweis. Ein Blick ins Internet hilft ab und an weiter. Sonst fragen Sie einfach in der nächsten Polizeistation.
Beim Vereinsheim angekommen, werden Sie erstaunt sein, wie wenige Motorräder und wie viele Rocker da sind. In Brandenburg gab es den Fall der 14 Chicanos von Barnim: Zwei von ihnen hatten einen Führerschein, nur einer besaß ein Bike. Dafür glänzte der Club, der die Bandidos unterstützte, mit reichlich Vorstrafen: Rauschgifthandel, Schutzgelderpressung, illegaler Waffenbesitz, Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz, Körperverletzung, Beleidigung und Erschleichen von Leistungen.
Sind die Zeiten aufregend, die Konkurrenz machthungrig und der Verfolgungsdruck durch die Staatsmacht hoch, stehen Wachen an den Straßenecken, immer in Hör- und Brüllweite des Clubhauses. Wenn Sie später Bandenchef sind, werden Sie das zu schätzen wissen. Jedoch helfen auch die Rufer in der Großstadt nicht immer: Einmal kam das Spezialeinsatzkommando im Linienbus vorgefahren. Da hieß es dann flinke Füße machen. Wenn, wie in diesem Fall, die Polizei von allen Seiten stürmt und einen unsanft zu Boden reißt, schleudert man ihnen am besten ein den Tatsachen widersprechendes »Ich ficke deine Mutter, du Opfer!« entgegen.
Vom äußeren Erscheinungsbild Ihres neuen Vereinsheimes sollten Sie sich nicht beeinflussen lassen, Architekturpreis-verdächtig sind die Gebäude meist nicht. So residierten die Berliner Bandidos in einer Industriebrache: außen Schwarz, Rot und Gold. Oh, da sind Einschusslöcher an der Fassade. Hier kam wohl neulich mal die Konkurrenz von den Hells Angels vorbei. Die Tür ist massiv und aus Stahl. Kameras überwachen den Eingang.
Wenn Sie das Clubheim betreten, dann schauen Sie gleich am Eingang mal rechts neben die Tür. Stehen die Baseballschläger griffbereit? Dann ist ja alles gut. Was Sie nicht sehen können: Hinter dem Tresen liegt ein Revolver. Macheten werden auch gern genommen, denn die machen böse Wunden.
Im Vereinsheim geht es jedoch meist weit weniger aufregend zu, als Sie denken. Es riecht intensiv nach Männern. Marke Umkleidekabine. Die Wände sind mit diversen Bildern und Plakaten des jeweiligen Vereins dekoriert: Bei den Bandidos ist es ein dicker Mexikaner, bei den Angels ein Totenkopf mit Flügeln. Ansonsten ist die Einrichtung eher einfach gehalten. Als die Behörden die Hells Angels »Berlin City« verbieten, muss das Clubvermögen beschlagnahmt werden. Fast zwanzig Sitzgruppen im Ikea-Chic transportierte die Polizei ab. Dazu diverse Fitnessgeräte älterer Bauart.
Die Ränge der Rocker
Die Welt der Rocker ist keine anarchische, ganz im Gegenteil: Die örtlichen Ableger der internationalen Clubs sind straff organisiert wie sonst nur Kaninchenzüchter- oder Schützenvereine. Freiheit bedeutet in dieser Welt nicht, sein Handeln selbst bestimmen zu können.
Den Bodensatz jedes Rocker-Ortsvereins – bei den Hells Angels heißen sie Charter und bei den Bandidos Chapter – bilden die sogenannten » Hangarounds«, meist perspektivlose Typen, die nur noch ein Ziel haben im Leben, nämlich irgendwann eine Kutte zu tragen. Zu diesem Zweck verbringen sie sehr viel Zeit im Club.
Daneben gibt es noch die » Supporter« der Vereine, die in anderen Banden organisiert sind (Brigade 81, Red Devils, Chicanos) und die Clubs bei Grobheiten aller Art unterstützen dürfen. Dafür bekommen sie wiederum farbige und zumeist eng anliegende T-Shirts, mit denen sie als
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