Rockerkrieg: Warum Hells Angels und Bandidos immer gefährlicher werden - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
Berliner Diskothek. Türsteher sind Hells Angels, sie regeln, wer reinkommt, zum Tanzen und zum Dealen. »Wer die Tür hat, hat die Macht im Laden«, so LKA -Mann Finger.
Die Rocker sorgen für den Kokain-Nachschub zu erschwinglichen Preisen und kümmern sich um die gleichbleibend hohe Qualität des Stoffes. Sinkt die Reinheit der Droge, bleiben die Kunden weg. Wer will das schon, geht es doch um viel Geld und wenig Arbeit. Die Biker-Banden sind dabei nur Teil eines gut funktionierenden Kreislaufs.
Dass man nichts mit Drogen am Hut hätte, ist eine der gut gepflegten Legenden der deutschen Hells-Angels-Sektion. Es sei sogar verboten, Drogen zu konsumieren, und wer doch erwischt würde, fliege raus, heißt es. Man kann nur staunen angesichts dieser Propaganda.
Denn schon in den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts dealten die Mitglieder der Rockerbanden, wie und wo es nur ging. LSD -Trips für 70000 Dollar? Kein Problem. Hasch, Amphetamine, Kokain, Opium – egal, Hauptsache die Kasse klingelt. Der schwunghafte Drogenhandel spülte viel Geld in die Taschen der Rocker und finanzierte deren Lifestyle: dicke Autos, Häuser mit Swimmingpools, Orientteppiche, Schiffe. Man ist zwar gegen das Establishment, will aber auch irgendwie dazugehören. Auch Frauen werden als Statussymbole betrachtet. Sie tragen manchmal sogar das Abzeichen: »Eigentum der Hells Angels.«
Doch nicht nur zu Frauen, die als »Mamas« den Rockern zur Verfügung zu stehen haben, haben die Gangs ein spezielles Verhältnis. Genauso gerne, wenn nicht noch lieber, streicheln sie ihre Smith & Wessons und Pumpguns. Einer ihrer Lieblings-Slogans: »Wenn Waffen für ungesetzlich erklärt werden, dann haben nur noch Hells Angels Waffen.« Eine Philosophie, die man verstehen kann, wenn man Rocker ist, denn der Konkurrenzdruck ist hoch. Wer zuerst schießt, überlebt.
George Wethern, ein Hells Angel der ersten Stunde, der später als Kronzeuge gegen seine ehemaligen Brüder auspackt, beschreibt, dass er über »dreißig Handwaffen und über zehntausend Schuss Munition« im Haus hatte. In sein Wohnmobil baute er eine Panzerabwehrkanone ein, die war ein Geschenk von einem Biker-Bruder. Man weiß ja nie.
Neben Waffen und Drogen handeln Rocker gerne mit einer dritten Ware – Frauen. Auch wenn die Freier, die im Sperrbezirk die Straßen rauf- und runterfahren und sich Liebe für zehn Minuten kaufen, auf dem Rücksitz, im Park oder im Stundenhotel, es oft nicht wissen – ihr Geld kassieren letztlich die Rocker. Denn ihnen gehört die Straße, der Puff oder das Mädchen. Ganz wie sie wollen.
Prostitution ist nicht nur das älteste Gewerbe der Welt, sondern auch ein ziemlich lukratives, mit Milliardenumsätzen. Genaues weiß man nicht, denn Steuern werden hier nur sporadisch gezahlt. Bei Konflikten im Rotlichtmilieu – zum Beispiel mit einer arabischen Großfamilie – ist es von Vorteil, wenn hinter dem einzelnen Luden noch ein ganzer Rocker-Clan steht. Mit oder ohne Motorrad, Hauptsache, bewaffnet.
Sterben mit den Haaren im Wind – Rocker und der Tod
Bisher war ein vorzeitiges Ende die Ausnahme in einem deutschen Rockerleben. Motorrad zu fahren gilt den meisten Bundesbürgern zwar als mordsgefährlich, ist es aber nicht. Schon gar nicht, wenn man eine schwerfällige altmodische Harley-Davidson fährt. Bisher segnen Rocker das Zeitliche eher im Bett als auf der Straße.
»Sterben mit den Haaren im Wind« ist nur eine romantische Phrase, die schon deshalb kaum wahr werden kann, weil auch der wildeste deutsche Rocker nie ohne seinen Helm unterwegs ist, gesetzlos hin oder her. Außerdem liegt der Sinn des Kradfahrens nicht im schnellen Wechsel von A nach B, sondern im Bemühen um ein kraftvoll tönendes Brummbrummbrumm, eine moderne Variante des einschüchternden Urschreis.
Gemeinsam sind wir stärker, heißt die nach innen und außen gerichtete Botschaft, von den Mitgliedern der Gangs immer wieder gerne vorgetragen. Verrat gilt ihnen als schlimmste aller Sünden, »denn er tötet Vertrauen«, wie der deutsche Hells-Angels-Sprecher Rudolf »Django« Triller einmal gesagt hat.
Das eiserne Schweigen bei der Polizei wurde bisher nur selten gebrochen. Das macht es für die Staatsgewalt so schwierig, übrigens auch für jene Rocker, die der Gruppenzwang ins Gefängnis führt. Denn keinesfalls darf man die eigene Freiheit auf Kosten eines Bruders anstreben. »Es ist schon sehr erstaunlich, welche Leidensfähigkeit und Hartnäckigkeit manche Rocker in der
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