ROD - Die Autobiografie
– dabei steckte, wie gesagt, eine Menge Arbeit in dieser Derangiertheit. Besonders viel Zeit kostete es, in der Trocknungsphase kopfüber zu hängen: sich aus der Hüfte vorzubeugen und die Schwerkraft wirken zu lassen. Diese Technik hatte ich 1968 von einer Friseurin in Chicago gelernt, als ich mit Jeff Beck auf Tour war. Sie erklärte mir, sich nach vorn zu beugen und vom Nacken aus zu föhnen, gebe der Frisur mehr Volumen, und man nutze so die natürlichen Haaröle viel effektiver als beim Zurückkämmen. Ich sagte: »Super, das probier ich mal aus.« Und von da an hatte ich die nächsten vierzig Jahre fast immer eine Explosion auf dem Kopf.
Dass meine Frisur sich über all die Jahre nicht verändert hat, stimmt eigentlich nicht. Es gab ein paar Umbrüche, Experimentierphasen, Variationen über dasselbe Thema. Ein paarmal färbte ich sie mir zum Beispiel rot, wie Mitte der Siebziger, als ich mit der Schauspielerin Britt Ekland zusammen war. Wir taten es beide eigentlich nur wegen des Schockeffekts, denn das erwartete man nicht von zwei Menschen, die für ihr blondes Haar berühmt sind. Und, war irgendjemand schockiert? Ich weiß es nicht mehr. Wahrscheinlich ernteten wir ein paar Blicke, und das war wohl der Sinn der Sache. Bald waren wir wieder blond.
In den Achtzigern ging ich in London immer zu Denny, dem verrückten Friseur von Sweeney Todd’s in der Einkaufsstraße Beauchamp Place. Ich liebte diesen Laden und versuchte immer, gegen sechs Uhr abends dort zu sein, wenn es langsam ruhiger wurde. Dann bestellten wir ein paar Bier und Kurze im Pub gegenüber und schossen uns ab. Unter diesen Umständen dauerte ein Haarschnitt ungefähr fünf Stunden. Es war der geselligste Friseurbesuch, den man sich vorstellen konnte.
Denny war es auch, der mich gegen Ende der Achtziger überredete, meine nun etwas kürzeren Haare, kombiniert mit einem Bart, wieder eine Zeit lang rot zu färben. So eine Art Action Man mit Henna. Sah ganz gut aus, fand ich. Mein Problem mit meinem Bart ist, dass ich ihn nur um Mund und Kinn herum wachsen lassen kann, nicht an den Wangen. (Bevor irgendjemand auf die Idee kommt, meine Männlichkeit infrage zu stellen, möchte ich den Namen von jemandem in die Runde werfen, der vor demselben Problem steht: Muhammad Ali.) Auch diesmal stelle das Rot nur eine kurze Phase dar, dann war wieder Blond angesagt. Wenn man vernünftig ist, kehrt man immer zu dem zurück, was am besten funktioniert.
Blond war ich, seit ich 1975 nach Kalifornien gezogen war und die Sonne meine Haare ausgebleicht hatte. Ich fing an, den Effekt künstlich zu verstärken – von sanften Schattierungen bis zu Wasserstoffblond mit dunklen Ansätzen in den Achtzigern. Im Augenblick ist es eine Kombination aus drei Farben, angemischt von einem Mädchen, das eigens dafür immer zu mir nach Hause kommt.
Die Länge variierte ebenfalls. Am längsten trug ich die Haare wohl in den frühen Siebzigern, als ich bei den Faces sang. Oben standen immer noch die üblichen Stacheln ab, hinten fiel es mir bis auf die Schultern – eine damals bei Männern sehr beliebte Frisur. Machte man es richtig und achtete darauf, dass die Haare gewaschen und geföhnt waren, wippte es beim Gehen leicht um die Ohren. Das war der gewünschte Effekt.
An den Stacheln konnte man herumzupfen – sehr praktisch bei Fernsehinterviews. Auf YouTube gibt es Aufnahmen von einem Interview, das Russell Harty 1973 im britischen Fernsehen mit mir geführt hat: Offenbar brachte ich mindestens so viel Energie dafür auf, in meinen Haaren herumzufummeln, wie ich in die Beantwortung von Russells Fragen investierte. Ich komme mit einem Glas Rum-Cola ins Studio, und wie’s aussieht, hatte ich vorher schon ein paar davon im Backstage-Bereich. Exzellentes Rock’n’Roll-Benehmen – wenn auch aus schierer Panik vor der Livesendung.
Seitdem sind die Haare im Nacken wesentlich kürzer geworden, kürzer als bis zum Kragen hatte ich sie seit meiner Kindheit nicht mehr. Alles andere käme mir einfach falsch vor. Die Vorstellung, meinen Nacken zu enthüllen … nein, das wäre geradezu unnatürlich. Auch die Stacheln sind geblieben, mal länger, mal kürzer, je nach Laune, Zeiten und Wirtschaftslage. Doch das Grundprinzip blieb stets dasselbe. In Steven Careys Salon, mein Friseur in Mayfair, habe ich an die Wand unter den Spiegel geschrieben, wie lang meine Haare mindestens sein müssen: sechs Zentimeter. In Los Angeles benutzt mein Friseur einen
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