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ROD - Die Autobiografie

ROD - Die Autobiografie

Titel: ROD - Die Autobiografie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rod Stewart
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Gesichtsausdruck besagte etwas anderes. Und dann trat Angst an die Stelle der Ungläubigkeit – die Angst, was das für unser Leben bedeutete, zu groß und zu vage, um sie sofort verarbeiten zu können, aber auch die konkrete Angst vor meinen Eltern und ihrer Reaktion, die ich mir lebhaft vorstellen konnte. Sie würden außer sich sein. Ich hatte ein Mädchen geschwängert, ohne mit ihm verheiratet zu sein. In ihren Augen brächte ich damit Schande über die ganze Familie. Das wäre schlimmer als aller Ärger, den ich ihnen je zuvor gemacht hatte.
    Also verschwieg ich ihnen die ganze Geschichte. Ich machte mir vor, ich würde sie vor etwas schützen, das sie nicht zu wissen brauchten – dabei schützte ich mich damit natürlich auch vor ihnen. Das einzige Familienmitglied, dem ich damals Sues Schwangerschaft beichtete, war mein Bruder Bob. Als ich es ihm erzählte, war ich in Tränen aufgelöst. Bob war wütend wegen meiner Unvorsichtigkeit, zugleich aber verständnisvoll. Mit anderen Worten, er verhielt sich wie ein richtiger Bruder. Er suchte Sue auf und bot ihr seine Hilfe an. Doch Sue meinte nur: »Ich krieg das schon hin.«
    Unsere Freunde waren nicht schockiert. Sie unterstützten uns auf ihre Weise. Die Kerle – weil sie Kerle waren – boten an, für eine Abtreibung zu sammeln. Als ihnen klar wurde, dass sie die nötige Summe niemals zusammenbekommen würden, gaben sie die Idee jedoch auf. Und nicht zu vergessen: Bis zum Abortion Act von 1967 waren Abtreibungen in Großbritannien illegal. Sue hatte zudem gar nicht die Absicht, die Schwangerschaft abzubrechen, und ich drängte sie nicht dazu. Sie wollte das Kind bekommen und es dann zur Adoption freigeben. Zu Beginn der Schwangerschaft blieben wir noch zusammen und versuchten, uns wie immer zu benehmen – ein junges Paar, das die Freiheit im London der frühen Sechziger genoss. Aber natürlich hatte sich zwischen uns etwas verändert, und nach vier Monaten trennten wir uns. Ein Vorfall am Strand von Brighton, kurz vor der Trennung, zeigt, wie unerfreulich unsere Beziehung geworden war.
    Sues Bäuchlein war noch nicht lange zu sehen. Ich saß wie immer mit meiner Gitarre und ein paar Leuten herum, die mich aufforderten: »Sing noch mal das von Dylan, Roddy.« Vielleicht habe ich Sue nicht so viel Aufmerksamkeit geschenkt, wie sie es angesichts ihres besonderen Zustands verdient hätte, denn plötzlich gab es ein Knacken und dann ein Splittern, und das Instrument fiel mir aus der Hand. Sue hatte, so scheint’s, einen großen Stein vom Strand aufgehoben und ihn in meine Gitarre geschleudert. Zweck dieser Übung war wohl, endlich von mir beachtet zu werden, was ihr auch ziemlich gut gelang.
    Dann wurde es hektisch. Einer der Jungs packte Sue – er hatte vergessen, dass sie schwanger war. Die anderen brüllten ihn an, er solle sich beruhigen. Stumm und fassungslos stand ich da und untersuchte meine Gitarre – meine geliebte Zenith-Stahlsaitengitarre, durch deren Körper sich nun ein unschöner Riss zog (Ich habe sie übrigens immer noch.)
    Kurz darauf war der Sommer vorbei und unsere Beziehung auch. Das Nächste, woran ich mich in dieser Sache erinnere, ist, dass ich mitten in einer Novembernacht in meinem Zimmer über dem Zeitungsladen meines Vaters von einer Frauenstimme geweckt werde, die meinen Namen ruft. Ich schiebe den Vorhang beiseite, unten auf dem Bürgersteig stehen zwei von Sues Freundinnen. Ich öffne das Fenster und schaue mit verquollenen Augen hinaus. »Du solltest ins Krankenhaus gehen. Sue bekommt das Kind«, rufen sie mir zu.
    Ich werfe mir etwas zum Anziehen über und schlüpfe aus dem Haus, so leise ich kann, um nicht meine schlafenden und immer noch völlig ahnungslosen Eltern zu wecken. Ich gehe zum Whittington Hospital in Highgate. Dort warte ich, laufe die Flure auf und ab, bis man mir sagt, das Baby sei da, es sei ein Mädchen und die Mutter wohlauf. Doch das Kind bekomme ich nicht zu Gesicht. Ich will es sehen, zugleich aber auch nicht, weil ich Angst davor habe, was ich dann empfinden könnte.
    Ich unterschreibe die Adoptionspapiere. Und dann trete ich hinaus auf die kalte Straße und gehe nach Hause. Für mich ist dieser Abschnitt meines Lebens abgeschlossen, und ich rechne nicht damit, jemals wieder damit zu tun zu haben.

KAPITEL 4
    In welchem unser Held eine zufällige und lebensverändernde Begegnung an einem Bahnhof hat, beinahe in einem Transporter erstickt und erste Versuche mit Schottenkarohosen macht.
    I ch verdanke Long

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