ROD - Die Autobiografie
meinem Dufflecoat sehr beatnikmäßig am Strand und spielte Gitarre. Als die Leute immer öfter »Rod, spiel doch mal ›San Francisco Bay Blues‹« oder »Rod, spiel diesen Dylan-Song« oder »Rod, sing den ›Cocaine Blues‹« riefen, dämmerte mir langsam, als ich so auf einem Stein hockte und sich ein kleines Publikum vor mir versammelt hatte, dass ich eine Stimme besaß, die die Leute hören wollten.
Im Sommer des Jahres 1962 unternahm ich mit ein paar Freunden den halbherzigen Versuch, die Welt in der aus unserer Sicht obligatorischen Boheme-Art zu bereisen. Es war das erste Mal, dass ich England verließ. Tatsächlich hatte ich mich zuvor nicht weiter von London entfernt als bis Brighton. Ich lieh mir etwas Geld, nahm die Fähre nach Frankreich und gelangte per Anhalter entlang der Route Nationale nach Paris. Dort musizierte ich vor dem Café Les Deux Magots, sang immer wieder »You’re No Good«, »It Takes a Worried Man to Sing A Worried Song« und »Rock Island Line«, verdiente damit ein paar Francs, kaufte mir Baguette, schlief in der Nähe des Eiffelturms unter einer Seine-Brücke, und dann war ich auch schon wieder zu Hause. Eine zweite Reise per Anhalter einige Zeit später führte mich in den Süden nach Spanien, wo ich mit einer Gruppe reisender Engländer unter den Kragdächern von Camp Nou, dem Fußballstadion von Barcelona, schlief. Dort sammelte uns die Polizei ein und überließ uns dem britischen Konsul, der uns in milder Ungnade nach Hause fliegen ließ – zumindest saß ich so zum ersten Mal in einem Flugzeug.
Ich habe meine Eltern in dieser Zeit einige Nerven gekostet, wie mir erst im Nachhinein klar wurde. Oft wussten sie gar nicht, wo ich war, das machte ihnen Sorgen. Nicht minder die Haare und der Gestank. Und die allgemeine Orientierungslosigkeit.
Dabei wollte ich mich doch nur selbst ausdrücken – tat das anscheinend aber nicht sonderlich überzeugend. In Shoreham, in der Nähe von Brighton, war ich das Anhängsel einer Truppe von Beatniks, die auf einem Hausboot herumhingen und es schließlich in die überregionalen Nachrichten schafften, weil sie sich eine Schlacht mit der Polizei lieferten, als die das Boot mithilfe von Schlagstöcken zwangsräumen wollte. Die Hand des Gesetzes schubste sie förmlich von Bord. Obwohl ich, Kenneth, Clive, Kevin, Brian und die anderen Londoner Möchtegerns verzweifelt versuchten, von dieser Beatnik-Elite akzeptiert zu werden, betrat ich dieses Boot nur einmal, glaube ich. Zumindest kann ich mich noch an den Gestank erinnern. Der harte Kern betrachtete mich als nicht ernst zu nehmenden Wochenend-Beatnik. Einmal fuhr ich drei Tage hintereinander nach Brighton und dachte: »Jetzt hab ich’s geschafft, jetzt gehöre ich dazu. Immerhin ist es Montagvormittag, und ich hänge hier am Strand rum.« Doch der harte Kern wollte mich weiterhin nicht akzeptieren. Verständlich. Schließlich war ich ein Rebell mit einem Sparkonto bei der Post – ein Beatnik, der immer wieder gern zurück zu seiner Mama ging.
In London hing ich in einer großen, verlassenen Pension in Highgate in der Nähe von Jack Straw’s Castle – einem Pub, das schon lange dichtgemacht hat – mit einigen Beatnik-Hausbesetzern herum, ohne dass meine Eltern etwas davon wussten. Eines Abends kam uns die Idee, Baked Beans über offenem Feuer zu erhitzen, wobei wir das Dach in Brand setzten. Das zog das Eintreffen der Feuerwehr und eines Polizisten nach sich. Constable Brown kannte meinen Vater – ob das zu meinem Vor- oder Nachteil war, wusste ich da noch nicht – und brachte mich nach Hause.
»Ich hab hier euren Roddy«, sagte er. »Er hat gerade ein Dach in Brand gesteckt.« Dafür erntete ich eine Ohrfeige, die einzige, die mein Vater mir je verpasst hat. Und meine Mutter packte meine Jeans, meinen Rollkragenpullover und meine Lederweste und warf sie, wie sie es mit Dads Fußballschuhen getan hatte, ins Feuer.
Es war, als sei in dem Moment ein Schalter in mir umgelegt worden. Über Nacht wurde ich ein Mod – zumindest in Bezug auf die todschicken Klamotten. Die anderen Aspekte dieser aufblühenden Jugendsubkultur – etwa die Begeisterung für Ska oder Motorroller – gingen an mir vorüber. Doch genau wie sie schätzte ich ein sauberes, gebügeltes Hemd und ein gutes Paar Schuhe. Vom stinkendsten Menschen, den die zivilisierte Welt je gesehen hat, verwandelte ich mich in einen Typen, den keine zehn Pferde aus dem Bad herausbekamen.
Damals begann das mit den Haaren. Aber die
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