ROD - Die Autobiografie
das erwiesenermaßen großartigste Tor in der Geschichte der Weltmeisterschaft gegen die Niederlande schießen zu sehen, was Schottland beinahe in die nächste Runde gebracht hätte, wenn nicht Johnny Rep das zweite Gegentor geschossen und die Niederlande damit auf Schottlands Kosten weitergebracht hätte. Verdammte Straßenräuber.
Woher kam dieses Schottische, diese leidenschaftliche Identifikation mit einem Ort und einem Volk 500 Kilometer nördlich von dort, wo ich aufgewachsen war, einem Ort, an dem ich als Kind nie gewesen war? Es fiel mir schon immer schwer, eine Erklärung dafür zu finden. Die Leute hielten es für angeeignet, aufgesetzt oder sogar illoyal. »Biste kein echter Londoner? Was soll’n der karierte Schotten-Quatsch?«
Klar, mein Dad war Schotte, drängte uns sein Schottentum jedoch nie auf. Ich bezeichnete mich nie als Schotten, schließlich war ich in England aufgewachsen, meine Mutter war Engländerin, und ich hatte ihren englischen Dialekt übernommen – was in den Sechzigern häufig bedeutete, dass ich mir Schottland gegen England auf den heruntergekommenen Rängen des Hampden Park in Glasgow ansah, mit karierter Schottenmütze auf dem Kopf, die Lippen jedoch fest verschlossen aus Angst, mich als feindlicher Ausländer zu erkennen zu geben. (Hampdens Ränge waren übrigens so heruntergekommen, weil sie aus verdichtetem Schlamm bestanden, der mit Eisenbahnschwellen befestigt worden war und häufig von der Pisse der Fans, die einen über den Durst getrunken hatten, überschwemmt wurde. Ich verstehe einfach nicht, warum es zwingend notwendig ist, sich besinnungslos zu saufen, wenn man zu einem Schottland-Spiel geht, aber so ist es schon immer gewesen, seit grauer Vorzeit.)
Das Schottische war mir jedoch vertraut – nicht nur durch meinen Vater, sondern auch durch seine Brüder, meine Onkel, die häufig bei uns waren. Ihr Dialekt erfüllte das Haus und klang in meinen Ohren gleichzeitig völlig natürlich und wunderbar exotisch. Diese Stimmen machten mir klar, dass ich eine Verbundenheit mit etwas Tiefem, Romantischem und Unwiderstehlichem geerbt hatte, eine geistige Heimat, und alles, was ich tun musste, war, die Hand auszustrecken und danach zu greifen. Und von da an zählten für mich nur noch Dudelsack und Schottenkaro.
Und in meiner Kindheit waren es schottische Stimmen, die mir die Fußballlegenden erzählten. Schottland-Spiele waren meinem Dad schon immer heilig gewesen. 1928, an dem denkwürdigen Tag, als Schottlands »Wembley Wizards« England 5:1 in den Home Internationals schlugen, war er mit meinen Onkeln ohne Eintrittskarten zum Wembley-Stadion gefahren, wo sie über die rückwärtige Mauer kletterten (Wembley hatte damals noch kein Dach). Er sah sich nach einem Platz um, von wo aus er das Spiel verfolgen konnte, und setzte sich schließlich auf einen freien Platz in der königlichen Loge, reserviert für den König von Afghanistan, der aus unerfindlichen Gründen nicht erschienen war. Diese bei mir zu Hause so häufig erzählte Anekdote von meinem Vater, dem Schotten, der in der Heimat des englischen Fußballs auf fremdes Hoheitsgebiet vordrang und sich beim Spiel königlich amüsierte, hinterließ einen gewaltigen Eindruck bei mir.
Man bedenke außerdem die Geschehnisse des 30. Juli 1966, den wohl glorreichsten Moment in der englischen Fußballgeschichte, als England Deutschland im Kampf um den WM-Pokal schlug. Wohl jeder Haushalt Englands mit Fernsehanschluss erlebte diesen noch heute nachklingenden Höhepunkt nationaler Kultur. Jeder – bis auf den der Stewarts. Mein Dad schaltete in der Nachspielzeit den Fernseher aus, als sich ein englischer Sieg abzeichnete. So etwas ist einfach prägend.
Ich war also schon sehr früh Fan der schottischen Nationalmannschaft. Die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Verein kam jedoch erst viel später. In den Siebzigern mochte ich Manchester United – weil sie damals so viele gute schottische Spieler hatten, einschließlich Denis Law, dem ersten Fußballprofi, den ich verehrte. Beim Betreten des Rasens imitierte ich Law, indem ich wie er meine heruntergezogenen Ärmel mit den Händen festhielt. Das mache ich heute noch so.
Während eines Faces-Konzerts in der Manchester Free Trade Hall 1973 kamen Law, sein United-Kollege Paddy Crerand und Mike Summerbee von Manchester City auf die Bühne und überreichten der Band eine Goldene Schallplatte. Direkt im Anschluss lud mich Denis’ Agent zum Spiel United gegen Leeds in Old Trafford ein,
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