ROD - Die Autobiografie
konnte, und keiner machte ihm einen Vorwurf. Wie viele Gitarristen hätten nicht gern bei den Rolling Stones gespielt? Ein sauberer Schnitt fiel Woody schwer. Eine Weile dachte er, er könnte in beiden Bands spielen und alle glücklich machen, was sich als ein Ding der Unmöglichkeit herausstellte. Woody brachte eine Tournee mit den Stones zu Ende und kam im Anschluss mit auf die letzte Faces-Tour, die im Herbst 1975 stattfand. Wir hatten ein großes Orchester dabei und ließen uns einen hübschen italienischen Balkon auf der Bühne bauen für die vier Nummern, die ich von meinem neuen Album Atlantic Crossing spielen wollte – alles meine Idee und, wie ich hinzufügen sollte, auch von meinem Geld bezahlt, doch der Rest der Band, vor allem Mac, fand es offensichtlich scheiße.
Mac würde es mir nicht glauben: Bis zum Ende, bis klar wurde, dass Woody ausstieg, wollte ich bei den Faces sein, wollte ich weiter dazugehören. Wollte ich immer. Ich wollte nicht allein losziehen. Alleine loszuziehen war überhaupt nicht meine Art. Hätte ich bis ans Ende meines Lebens bei den Faces sein können, wäre ich glücklich gewesen. Tatsache allerdings war, dass die Faces 1975 gar nicht mehr in einer Form existierten, dass man dazugehören konnte. Die Leute lagen mir schon seit Ewigkeiten in den Ohren und versuchten mich zu überzeugen, meine strikte Haltung aufzugeben. Ich war nie darauf eingegangen. Jetzt legten Billy Gaff und die Plattenfirma wieder los und meinten: »Du musst verrückt sein, es ist aus, such dir eine Band, mach eine Solokarriere, tu endlich, was du willst, jetzt ist es so weit.« Und schließlich – im Dezember 1975 – gab ich zu, dass es so weit war.
Nun waren die Faces nicht mehr – aber sie sollten nicht in Vergessenheit geraten. Elf Jahre später, im Juli 1986, stand ich am Ende einer Show im Wembley-Stadion im strömenden Regen, als Woody, Mac und Kenney auf die Bühne schlurften, gefolgt von Ronnie, schrecklich schwach, auf einen Gehstock angewiesen, aber smart gekleidet und glücklich, und die Leute feierten ihn und riefen, als sie ihn erkannten, im Chor: »We love you, Ronnie, we do!« Und Ronnie setzte sich auf einen Hocker, und ich schleuderte den Mikroständer zur Feier des Tages gen Himmel, wobei ich mich damit fast selbst pfählte, und dann krakeelten wir uns in fast perfekter Wiederauferstehung der alten Unordnung durch »(I Know) I’m Losing You«, »Twisting The Night Away« und »Stay With Me«.
Das wiederholten wir 1993, als ich bei den Brit Awards den Preis für einen außergewöhnlichen Beitrag zur Musik erhielt (sozusagen die »Goldene Uhr« zur Pensionierung). Ronnie – Gott hab ihn selig – hatte damals nur noch vier Jahre zu leben und war zu krank, um zu kommen. Woody, Kenney, Mac und ich probten ein bisschen, tranken in einem Pub an der Caledonian Road und spielten »Stay With Me« und »Sweet Little Rock’n’Roller.«
Im April 2012 ehrte man unseren torkelnden Beitrag zur Geschichte der Rockmusik (gemeinsam mit dem der Small Faces), indem man uns in die amerikanische Rock and Roll Hall of Fame aufnahm. Ich verpasste die Zeremonie in Cleveland wegen einer schweren Halsentzündung. Was Zeremonien in der Hall of Fame angeht, lastet sowieso ein Fluch auf mir. Bei meiner eigenen Ehrung fehlte ich ebenfalls, weil ich wegen des großen Erdbebens in Los Angeles 1994 nicht von zu Hause weg konnte. Typisch: Du wirst in die Hall of Fame aufgenommen, und am Abend vorher öffnet sich die Erde und versucht dich zu verschlingen.
Dennoch denke ich manchmal an die letzten Tage, bevor meine Mum 1991 im Alter von fünfundachtzig Jahren starb. Wenn ich sie besuchte, schlief sie manchmal. In ihren letzten Jahren war sie zunehmend verwirrt, und wenn sie aufwachte, fragte sie mich: »Oh, hallo Roddy. Wie geht es den Faces?«
Es geht ihnen gut, Mum.
INTERMEZZO
In dem unser Held einen Schusswechsel überlebt, vor einem der härtesten Männer der Welt weibische Schuhe trägt und seine lebenslange Liebe für Celtic entdeckt. Und in dem er einen denkwürdigen Besuch erhält.
I ch möchte nicht wissen, wie viel mich über die Jahre das Umherreisen gekostet hat, um Celtic und Schottland spielen zu sehen. Sicher weiß ich, dass es mich 1978 fast das Leben gekostet hätte.
Nämlich im Sommer der Weltmeisterschaft in Argentinien. Schottland hatte sich zum zweiten Mal in Folge qualifiziert und England nicht – ein Detail, das den emotionalen Wert der Veranstaltung für die Schottland-Fans beileibe
Weitere Kostenlose Bücher