ROD - Die Autobiografie
grün-weiß gestreiften Trikots steigt. Wir passieren die große, hoch aufragende Bronzestatue von Jock Stein mit dem Europapokal und betreten das Stadion. Manchmal denke ich mir, es würde sich allein schon für die Gesänge lohnen – die leidenschaftlichen, einfallsreichen, nicht endenden Fan-Chöre der Green Brigade, jener großartigen Tribünenoriginale, deren Lieder der Rest der Welt singt. Mein Sitzplatz auf Lebenszeit ist in der Ehrenloge, mit einem Namensschild aus Messing, neben dem von Billy Connolly. Rechts vor mir sitzt Billy McNeill und neben ihm Bertie Auld – beide Teil der legendären »Lisbon Lions«-Mannschaft von 1967. Dort als Fan zu sitzen, zusammen mit Männern, die einen die Vereinsgeschichte unmittelbar spüren lassen, ist ein unglaubliches Privileg und macht mich sehr glücklich.
Einst war ich selbst ein Lisbon Lion. Na ja, eigentlich nur bei einem Wohltätigkeitsspiel im Jahr 1994. Trotzdem, was für ein Nervenkitzel, in der Kabine neben Billy McNeill, Ronnie Simpson und John Clark zu sitzen und sich von Bertie Auld vor dem Spiel in breitestem Schottisch sagen zu lassen: »Rod, ich will saubere Pässe sehen!« Wir spielten gegen Celtic XI, und Lou Macari verpasste mir von hinten erbarmungslos einen solchen Tritt, dass ich fast abhob. Die Rache dafür steht noch immer aus.
Wenn ich nicht hingehen kann, schaue ich die Spiele im Fernsehen. Im Januar 2012 musste ich für einen Auftritt von London nach Jakarta fliegen. Aber ich konnte doch wohl kaum das Halbfinale des Scottish League Cup gegen Falkirk verpassen, oder? Also suchte ich mir im Internet einen Celtic-Fanclub, die SingTims in Singapur, und organisierte einen Zwischenstopp dort. Und da saß ich also, kurz vor Mitternacht in einer winzigen Bar, gute 10 000 Kilometer entfernt von Glasgow, umgeben von Schotten in ihren gestreiften Trikots. Alle johlten und sangen Richtung Fernseher – dessen Bild ständig einfror, weil es aus dem Internet heruntergeladen wurde.
Celtic gewann übrigens 3:1, durch zwei Tore von Anthony Stokes und einen Elfmeter des Kapitäns, Scott Brown. Nicht dass wir auch nur eines davon zu sehen bekamen. Im entscheidenden Moment fror jedes Mal das Bild ein.
Das Ganze ist total vereinnahmend und rational betrachtet verrückt, es hat großen Einfluss auf meine Stimmung, positiv wie negativ, ich denke viel zu viel darüber nach und messe ihm viel zu viel Bedeutung bei. Was soll man machen? Es ist eben Fußball. Eines Nachts um vier Uhr in Vancouver, Kanada, war ich unterwegs zu einer Bar, von der ich wusste, dass das Mittagsspiel dort übertragen wurde. Die Sonne ging gerade auf, als ich einen Typen auf seinem Fahrrad sah, mit Hosenklammern und gestreiftem Celtic-Trikot, der auf leeren Straßen beherzt in die Pedale trat, um zum Spiel zu gelangen. Und ich dachte: »Wir beide, Kumpel. Wir beide.«
Weiter so, ihr Boys in Grün.
KAPITEL 10
In dem unser Held mit der Tochter eines Geschwaderkommandanten anbandelt, eine Wahnsinnsvilla kauft und Elton Johns dickster Kumpel wird.
I m Juli 1971 schmeißt unsere Plattenfirma für die Faces in Los Angeles eine Party. Der Nachtclub heißt Bumbles und bietet das vertraute Bild: laute Musik, eine Sturzflut kostenloser Getränke, aufgedrehte Plattenfirmen-Menschen im Vollsuff – und natürlich scharenweise Frauen in aufreizenden Outfits, die alle nur das eine Ziel haben: sich hemmungslos an die Musiker ranzumachen. Was sie mit ungenierter Aufdringlichkeit denn auch tun.
Ich begreife schnell, dass es unter diesen Umständen unmöglich ist, seine Position in der Mitte des Raumes zu verteidigen. Selbst wenn man sich mit seinen Zehen im Teppich festkrallt: Früher oder später würde man von den auf einen zuströmenden Menschenmassen gegen die Wand gedrückt, wo man sich die Leute – vorwiegend weiblich – einzeln vom Leib pellen muss. Wobei ich freimütig einräume, mit meiner Garderobe nicht gerade als Muster an Unauffälligkeit durchzugehen: Ich hatte für den Abend einen weißen Samtanzug ausgewählt, der so strahlend hell leuchtete, dass man eine ganze Eishockey-Arena damit hätte illuminieren können.
Das Mädchen, das mir im Gewimmel auffällt, ist allerdings keine der Damen, die sich im Vollkörpereinsatz an mich werfen, gegen das Mobiliar drücken und mir frappierend eindeutige Offerten für die weitere Gestaltung des Abends ins Ohr flüstern. Ganz im Gegenteil: Sie sitzt an einem kleinen Seitentisch, trägt ein schlichtes blau-weißes Kleid, dazu Clogs, und verfolgt
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