ROD - Die Autobiografie
ist immer präsent – bei allem, was ich tue.
In den beiden Jahren, die ich mit Britt verbrachte, nahm ich zwei meiner erfolgreichsten Alben auf – wie mir ihr Anwalt am Ende unmissverständlich zu verstehen gab. Billy Gaff hatte mir einen neuen Solo-Plattenvertrag mit Warner Bros. verschafft, und es war Zeit für einen Wechsel der Gangart und für frischen Wind. 1974 begann ich mit den Aufnahmen für das Album Atlantic Crossing , zunächst in Los Angeles, dann in den Muscle Shoals Sound Studios in Alabama unter der Leitung des legendären Produzenten Tom Dowd.
Angesichts der Primitivität von Muscle Shoals fühlte ich mich, als habe man mir einen Schlag in den Nacken verpasst: Der Raum war winzig und zur Schallisolierung mit Eierpappen verkleidet. Glamourös ist etwas anderes.
Dem ersten Schock folgte sogleich ein zweiter: die Studiomusiker. Mit Ausnahme des Schlagzeugers Al Jackson waren alle weiß. Ich dachte erst, ich sei im falschen Studio gelandet. Wie konnte es sein, dass die Rhythmusgruppe so vieler klassischer Soul-Platten nicht schwarz war?
Tom Dowd war fünfzig und genoss einen imposanten Ruf. Er hatte Ray Charles’ »What’d I Say« produziert, außerdem mit Otis Redding gearbeitet, mit Aretha Franklin und Dusty Springfield, er war verantwortlich für Eric Claptons beste Platten. Man erwartete jemanden mit unglaublicher Autorität, der einem vielleicht sogar ein wenig Angst machte. Aber Tom war ein großartiger alter Hase – sanft und einfühlsam. Er besaß Ausstrahlung, eine so warme, augenzwinkernde Ausstrahlung, überhaupt nicht autoritär – einfach nur auf gute Art und Weise väterlich. Er mischte sich unter uns und ließ uns machen. Seine Einstellung war: Wenn es gut läuft und alles funktioniert, lass es rollen. Er saß zurückgelehnt da, rauchte Pfeife und las Zeitung. Ab und zu fragten wir ihn: »Was hältst du davon, Tom?« Dann hörte er zu, kaute auf seiner Pfeife herum und meinte: »Ja, klingt doch gut.«
Aufgrund seiner Arbeit empfand ich großen Respekt für ihn. Wenn er nichts tat, respektierte man das auch. Wenn er einem sagte, was man tun sollte – immer auf äußerst liebevolle Art –, respektierte man das in jedem Fall. Herumgebrülle, schlechte Stimmung oder Ärger gab es einfach nicht. Wenn er frustriert war, zeigte er das nicht. Andere Produzenten wollen allem ihren Stempel aufdrücken und drängen einem ihren ganz persönlichen Sound auf. Manchmal ist das Ego des Produzenten genauso groß wie das Ego des Künstlers, und in dem Fall macht es einfach keinen Spaß. Tom war anders, und ich dachte: Mann, jetzt weiß ich, wieso all diese großartigen Leute mit ihm arbeiten wollten. Er weiß nicht nur, was er tut, er ist dabei auch noch total locker .
Es war eigentlich das erste Mal, dass ich völlig entspannt im Studio war. Wir mussten im Muscle Shoals auf keine anderen Bands Rücksicht nehmen und unterlagen keinerlei Budgetbeschränkung, also saßen wir viel herum und tauschten Anekdoten aus. Tom erzählte davon, wie Otis Redding »Dock Of The Bay« mit einer von Steve Cropper auf Open E gestimmten Gitarre geschrieben hatte. Wenn man eine Gitarre auf diese Art und Weise stimmt, kann man »Dock Of The Bay« mit einem Finger spielen, und genau das hat Otis getan. Und er erzählte davon, wie er sich mit Otis über das R&B-Duo Sam & Dave in die Haare geriet, als beide Rivalen bei Stax waren. Otis meinte: »Du musst etwas unternehmen, Tommy, unternimm doch endlich was. Es ist nicht so einfach, mit den beiden mitzuhalten.« Otis klang großartig. Er schämte sich nicht für seinen kommerziellen Erfolg oder dafür, dass er ein Entertainer war. Und ich versuchte, es ihm so gut wie möglich gleichzutun.
Als wir zum ersten Mal einen Track fertig hatten, stand Tom auf und sagte: »Lasst uns raus auf den Balkon gehen.« Ich war etwas verwirrt. »Das ist der Balkontest«, meinte er. »Den haben sie alle gemacht. Aretha hat ihn gemacht, Otis auch …« Die Idee war einfach: Man trat auf den Balkon und hörte sich von dort aus den Track an, durch die Tür. Dann merkte man schon, ob er wirklich groovte. Im Studio, bei voller Lautstärke, klingt fast alles gut. Man braucht etwas Abstand, um beurteilen zu können, ob ein Track wirklich funktioniert. Später demonstrierte Tom mir den Autotest, noch so eine Muscle-Shoals-Taktik: Man verlegt ein paar Kabel nach draußen auf den Parkplatz und hört sich den Song durch die blechernen Autolautsprecher an. Wenn ein Track das überlebt und immer
Weitere Kostenlose Bücher