Roen Orm 4: Herrscher der Elemente (German Edition)
um den Hals, umklammerte ihn und Pera, und gemeinsam begann er mit ihr zu singen, ohne zu verstehen, was sie da taten:
„Eigoson siple, casal wotchin nu!Eigosonsiple, casal wotchin nu!”
Ein monotoner Vers, der sich immer wiederholte, scheinbar sinnlos, dennoch konnten sie nicht aufhören. Jordre spürte, dass Magie entfesselt wurde, uralte Magie. Die Felswände warfen das Echo zurück, bis es klang, als würden ganze Heerscharen die seltsamen Worte singen. Um sie herum begannen zu glühen, das Licht enthüllte ein Tunnelsystem, Ruinen, die einst von kundiger Hand bearbeitete Bauwerke gewesen sein mussten.
„Kaleno!“ Chelsa seufzte tief ergriffen. Jordre nickte langsam. Kaleno, die alte Weihestätte der Elfen. Hier hatten einst Türme in den Himmel geragt, von denen aus der Lauf der Gestirne beobachtet worden war. Er erinnerte sich, wie er hoch oben gestanden und auf Elys gewartet hatte … In einem anderen Leben.
Osmeges Lehmhand hörte auf, blind nach ihnen zu tasten, und zerfiel. Unzählige Geschöpfe, ein jedes nur so groß wie ein Daumen, rannten über Wände und Boden. Jordre wusste, sobald einer der Wichte sie berührte, würde Osmege erfahren, wo sie sich befanden, und dann nutzte auch die Famár-Magie nichts mehr.
„Winen adrera!“, fauchte Chelsa. Jordre verstand die Worte wie auch den vernichtenden Willen dahinter: Flammen schossen aus den sonst so sanften Augen des Mädchens, die Schlammgeschöpfe erstarrten, nicht zerstört, sondern zu Tonstatuen gebrannt. Kaleno verstärkte die Magie, an diesem Ort trafen Kraftströme zusammen.
Jordre erinnerte sich … Entschlossen hob er Pera hoch, trug sie durch die Tunnel, suchte gemeinsam mit Chelsa in den Ruinen nach dem Platz der Mitte. Hier wuchs nicht nur die legendäre Avendemyl heran, es gab uralte Magie, die sie nutzen konnten. Chelsa erinnerte sich offenbar nicht bewusst wie er, sondern starrte voller Staunen um sich. Für ihn hingegen schien es, als wären sie tatsächlich erst gestern Hand in Hand durch Kaleno spaziert.
Osmege wütete, aber er konnte Kaleno nicht noch weiter zerstören, als es ihm bis jetzt gelungen war, nicht einmal die Tunnel und Höhlen einstürzen lassen, in denen die Ruinen geborgen waren. Der Dunkle Orn konnte sie nicht berühren.
„Dort!“ Jordre kletterte über die Trümmer einer Säule. Ihnen wurde die Luft knapp, er erkannte, dass Osmege den Abgrund, in den sie gestürzt waren, wieder mit Treibsand gefüllt hatte und auf irgendeine Weise die Luft fortsaugte. Die Magie dieses verlorenen Ortes schützte sie vor den schlammigen Massen, doch Luft wurde nicht herbeigeschafft. Behutsam legte er Peras stillen Körper zu Boden.
„Halte durch, Liebste“, flehte er und suchte nach der Sternenrune, die einst auf einer hölzernen Stele angebracht gewesen war und nun ihre einzige Hoffnung darstellte.
Schließlich fand er das goldene Artefakt, halb verborgen unter zerschmetterten Marmorplatten, kniete neben Pera nieder, ergriff Chelsas Hand und rief: „Arpen!“
Blaues Licht wirbelte auf und hüllte sie vollständig ein. Dann waren sie fort, und zurück blieben nur die stummen Zeugen einer einst großen Kultur.
Dort, wo Chelsa gekniet hatte, entfaltete sich ein niedriges, dorniges Gewächs, halb vertrocknet und ohne Blätter.
32.
„Pya und Ti spielten gemeinsam, und ihr Lied durchzog die Schöpfung und alles Sein. Noch heute erinnert sich jedes Lebewesen an diese Klänge, wenn auch nur sehr wenige fähig sind, diese Musik in ihrer Seele zu finden. Sollten die göttlichen Geschwister dereinst ihre Instrumente zurückerlangen, werden sie ein neues Lied spielen, die alte Schöpfung vergeht, muss dann der nächsten weichen …“
Übersetzung eines nagaurischen Dokuments
Als Chelsa wagte, die Augen zu öffnen, fand sie sich in einer Steinwüste wieder. Um sie herum war nichts als schroffe Berge, Felsen, vertrocknete Erde. Pera lag auf einem flachen Plateau aus weißem Gestein. Jordre kniete über ihr und rief weinend ihren Namen.
Sie ist tot, dachte Chelsa. Der Gedanke fühlte sich seltsam an, so fern, als hätte er gar nichts mit ihr zu tun. Sie schlang die Arme um ihren Bauch, wie sie es oft tat und suchte Halt an sich selbst. Alles war so unwirklich, sie konnte nicht denken, nichts empfinden. Pera war freundlich zu ihr gewesen, es war falsch, dass sie jetzt so still dort liegen sollte. Oder vielleicht nicht? Hatte man nicht gesagt, dass Jordre eigentlich für sie, Chelsa, bestimmt war? Sie
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