Roen Orm 4: Herrscher der Elemente (German Edition)
und schrie um ihr Leben. Etwas umklammerte ihr Bein, zog sie unerbittlich zurück. Sie hielt sich an Jordre fest, doch er konnte sie nicht halten. Ein Blick über die Schulter zeigte, dass der Treibsand verschwunden war. Unter ihr gähnte ein tiefer Abgrund, und eine Hand, geformt aus Lehm, zerrte an ihr.
„Du bist mein, Steintänzerin, glaub nicht, du könntest mir entkommen!“, grollte eine Stimme, die nur zu Osmege gehören konnte.
Chelsa kreischte schrill, trat gegen die Schlammfinger. Vergebens, sie wusste es.
„IMSHAHAT!“, brüllte Jordre, ein Wort, das für Chelsa sinnlos war. Sie sah Metall blitzen, und plötzlich war sie frei, während ein unirdischer Schrei voller Wut und Schmerz die Luft erzittern ließ.
„Runter!“ Pera rettete sie gerade noch vor der wild umher tastenden Lehmhand. Wieder bäumte die Erde sich auf, sie stürzten alle drei. Chelsa sah, wie Jordre in die Fänge der magisch belebten Hand geriet, sich nicht befreien konnte, obwohl er mit seiner langen Metallwaffe auf sie einschlug. Sie versuchte ihn zu packen, Pera krallte sich in seine Schultern, doch Jordre wurde unerbittlich über den Rand in die Tiefe gezogen. Mit einem Blick, der Wut, Todesangst und Bedauern in sich vereinte, holte Pera unvermittelt aus und trat gegen Chelsas Brust. Sie fiel zurück, verlor dabei den Halt um Jordres Arme. Pera taumelte, kämpfte um ihr Gleichgewicht und stürzte mit einem Schrei in die Tiefe. Hilflos musste Chelsa mit ansehen, wie ihre einzigen Freunde in dieser trostlosen, zerstörten Welt im Abgrund verschwanden.
Einen Moment lang zögerte sie. Dort unten wartete Osmege. Der Tod. Was gab es schon zu verlieren? Ohne Pera und Jordre würde sie keine Stunde in Anevys Wildnis überleben.
Stumm vor Angst kroch Chelsa an den Rand des schwarzen Nichts, schloss die Augen und ließ sich einfach fallen.
~*~
Pera stöhnte, als ein schwerer Körper auf sie niederstürzte. Chelsa vermutlich, denn die Last auf ihrem Rücken bewegte sich, Jordre wusste sie aber an ihrer Seite. Die Lehmhand war verschwunden, hatte ihn fortgeworfen, sobald Osmege bewusst wurde, dass er nicht die Steintänzerin hielt.
Wir werden sterben … es gibt keinen Weg hinaus …
Erstaunt erkannte sie, wie gleichgültig ihr das war.
„Pera, was ist mit dir? Wach auf! Jordre, warum antwortet sie nicht?“, hörte sie Chelsa schluchzend rufen. Gerne hätte Pera die Augen geöffnet und den beiden gesagt, dass alles in Ordnung war. Sie hatte keine Schmerzen, also konnte nichts gebrochen sein, oder? Wenn sie nur nicht so müde wäre!
„Lass mich nicht allein, Liebste, Pera, bitte, halt durch, ich finde einen Weg!“
Sie sollte den beiden befehlen, sich nicht länger um sie zu bemühen. Es war längst alles vorbei. Jede Hoffnung auf Flucht war vergebens, Osmege würde sie zermalmen. Pera holte tief Luft, gewillt, sich endlich zusammenzureißen. Doch in diesem Moment sandte ihr zerschmetterter Körper all die Schmerzen, die sie bis jetzt nicht wahrgenommen hatte. Pera wollte schreien, aber sie konnte nicht, konnte nicht einmal mehr atmen. Da war nichts mehr, nur Schmerz. Und Dunkelheit.
Jordre wiegte seine sterbende Geliebte in den Armen.
Er wusste nicht, woher er die Kraft nahm, sie noch halten zu können. Er müsste mit Chelsa fliehen, die Lehmhand suchte unablässig nach ihnen. Angstvoll fühlte er nach Peras Herz, flehte darum, dass es nicht aufhören würde zu schlagen. Ein Schrei hallte in seinen Ohren, war es sein eigener? Er war sicherlich wütend und verzweifelt genug, um so schreien zu können. Wahrscheinlich war es Osmege, der genau wusste, seine Feinde waren hier irgendwo. Osmege, der sie nicht finden konnte, solange er sie nicht berührte. Chyviles Macht beschützte sie immer noch. War das nicht ein Beweis dafür, dass seine Mutter noch lebte? Chelsa weinte neben ihm, nicht weniger verzweifelt als er selbst. Bilder rauschten durch seinen Sinn, Bilder, die er nicht verstand oder wiedererkannte, Erinnerungen, die ihm nicht gehörten und doch vertraut schienen. Ein neuer Schrei, voller Qual und Angst; welche verlorene Seele konnte so schreien? Worte brachen an die Oberfläche seines Bewusstseins, Worte einer Sprache, die er nicht verstand, Worte, die von einer leidenschaftlichen Stimme gerufen wurden, und sie klangen wie ein Schwur. Jordre schrie sie heraus, unfähig, sich zurückzuhalten: „Vamren yova, Osmege!“
„Du bekommst mich nicht, Osmege“, wisperte Jordre noch einmal.
Chelsa fiel ihm
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