Röslein rot
Architekten - ein unentschlossener Kunde. Nachdem er wochenlang mit sich gerungen hatte, bekamen wir eines Abends kurz vor Mitternacht die Botschaft, daß er sich nun endlich für weiße Türen entschieden habe.
Wenn Reinhard als Opfer seines Berufs Sport trieb, konnte ich manchmal ein Stündchen fürs Malen abzwacken. Doch es reichte nie, um ungestört mit dem Pinsel und der Seele einzutauchen. Außerdem plagten mich Zweifel, ob es recht war, meinen Mann ohne Aufsicht in Gesellschaft gut gebauter Tennisspielerinnen zu lassen. Oder stimmte es, daß er bloß mit männlichen Partnern spielte? Zu jenem Zeitpunkt begann ich, mißmutig und unzufrieden zu werden.
Mit Silvia konnte ich über meine Probleme kaum sprechen, ihr Pferd ging vor. Wie gut, daß es Lucie gab, die stets aufmerksam zuhörte. Leider war unsere Beziehung ein bißchen einseitig, weil sie sich über ihre eigene Biographie so beharrlich ausschwieg. »Hermann« und »Meier-Stüwer« stand an ihrer Haustür. Klar, ich wußte bereits, daß die beiden älteren Kinder nicht ihre leiblichen waren. Der achtjährige Kai ging mit Jost in eine Klasse, bei einem Elternabend hatte ich Lucie und Gottfried kennengelernt. Aber als ich Lucie mit neugierigem Verdacht befragte: »Seid ihr überhaupt verheiratet?«, bekam ich eine ausweichende Antwort. Später bedeutete sie mir, daß sie einmal im Leben den großen Fehler begangen und sich selbst bedingungslos preisgegeben habe.
Irgendwie verletzte mich ihr mangelndes Vertrauen. Ganz abgesehen davon, ob man nun verheiratet ist oder nicht und ob die Kinder von unterschiedlichen Vätern stammen, was spielt das heutzutage für eine Rolle? Für wie spießig mußte sie mich halten, daß sie über solche Nebensächlichkeiten Stillschweigen bewahrte.
Damit sich auch unsere Männer näher kennenlernten, lud ich eines Tages Lucie und Gottfried, Silvia und Udo zum Essen ein. Diesen Abend werde ich in unguter Erinnerung behalten.
Ich muß gestehen, daß ich gern ein Hinterglasbild unseres Häuschens mit sommerlichem Garten fertiggemalt hätte, um es von den Gästen bewundern zu lassen. Aber es nahm viel Zeit in Anspruch, den blauen Rittersporn, die Stockrosen und Sonnenblumen akribisch genau zu tüpfeln. Außerdem hatte ich mich mit der Perspektive etwas vertan: Die kreuzförmig angelegten Wege mit dem runden Beet in der Mitte schienen auseinanderzufallen. Der Quittenbaum war zu klein, das Holzgestell für die blühenden Wicken zu groß geraten.
Da ich bis zum letzten Moment unzufrieden an meinem Werk herumpusselte, das ich dann doch nicht zeigen mochte, mißriet mir das Essen. Dabei hatte ich mit der gleichen Speisenfolge schon verschiedentlich Ehre eingelegt. Es war besonders peinlich, weil Lucie angeblich eine ausgezeichnete Köchin war. Mein Tafelspitz war faserig zerkocht, die Kartoffeln waren versalzen, die Soße schmeckte labberig. Den von Reinhard geliebten Apfelkren hatte ich ganz vergessen.
Leider erwies sich mein Mann nicht als lustiger, geistesgegenwärtiger Lebenskünstler, der in solchen Situationen rettet, was zu retten ist. Er klagte und entschuldigte sich so penetrant, daß auch dem arglosen Gottfried schließlich aufging, was für eine miese Gastgeberin ich war. Udo sah in meiner Demoralisierung die Chance, sich an mich heranzumachen. Eine Frau könne doch ganz andere Qualitäten haben, bemerkte er und versuchte, mich mit vollem Mund zu küssen. Der angetrunkene Reinhard wollte ihn daran hindern und warf dabei sein Glas um. Silvias blau-beiges Missoni-Strickkleid tränkte sich mit Rotwein, so daß sie doppelt gekränkt war. In einer mitleidigen Regung begann Lucie, Reinhard zu bedauern, weil er in letzter Zeit so stark unter Streß stehe. Er war zwar verwundert, daß sie überhaupt davon wußte, fühlte sich aber endlich verstanden.
Um wieder auf neutrales Terrain zu gelangen, brachte ich die Sprache auf einen weit zurückliegenden Urlaub. Sollten unsere reichen Freunde doch hören, wo wir gewesen waren! Eine Frau mit Kindern hat ja eigentlich nie Ferien, begann ich. Jost und Lara seien bereits am ersten Tag an der Cote d'Azur krank geworden, ausgerechnet Windpocken! Während Reinhard beim Surfen braun wurde und sich weigerte, auf französisch Fieberzäpfchen zu kaufen, mußte ich die Tage mit quengelnden Kindern in der engen Ferienwohnung verbringen. Aber bevor ich erzählen konnte, daß mich ein athletischer Franzose vom Fenster aus für eine jugendliche Ausgabe von Brigitte Bardot gehalten habe, sah mich
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