Röslein stach - Die Arena-Thriller
und sie zu ihrem »Ausflug« aufbrachen, stand plötzlich auch Sarah vor der Pforte. Wieso war sie dabei? Sie war doch bei der letzten Versammlung strikt gegen jegliche Gewaltanwendung gewesen. Aber leider konnte Antonia weder Robert noch Matthias zu Sarahs Meinungsumschwung befragen, ohne von Katies und ihrem Lauschangriff berichten zu müssen. Und das wollte sie vor der ach so perfekten Sarah lieber nicht zugeben. Um sich nicht die Blöße zu geben, spielte sie also die Ahnungslose und setzte sich neben Sarah auf die Rückbank des Polos. Matthias stellte eine große Reisetasche in den Kofferraum und setzte sich ans Steuer. Sie fuhren stadtauswärts und bogen dann auf die A7 in Richtung Hamburg ab. Am Anfang waren alle schweigsam, dann fragte Sarah Antonia nach ihrer neuen Schule und wo sie bisher gewesen war. Es stellte sich heraus, dass sie bald dieselbe Schule besuchen würden, allerdings würde Sarah in die zwölfte Klasse gehen und Antonia in die elfte.
»Kennst du zufällig ein Mädchen namens Selin?«, fragte Antonia. »Sie ist Türkin. So ungefähr in meinem Alter. Sie geht auch ans Helene-Lange.«
Robert, der anscheinend Ohren wie ein Luchs hatte, wandte sich um und warf Antonia einen finsteren Blick zu. Die tat, als würde sie das gar nicht bemerken.
Sarah verneinte und fragte: »Wie sieht sie aus?«
Antonia beschrieb Selin und Sarah meinte nachdenklich: »Hm. Es gab mal so ein Mädchen, auf das diese Beschreibung gepasst hätte. Aber die hieß nicht Selin. Sie war in der Parallelklasse und hatte so einen arabisch klingenden Namen. Er fällt mir jetzt gerade nicht ein.«
»Wieso war?«, fragte Antonia.
»Die ist nicht mehr da. Sie war irgendwann plötzlich weg. Das war letztes Jahr im Herbst, glaube ich. Es hieß, sie wäre krank. Sie ist nie mehr zurückgekommen. Warum fragst du?«
»Och, nur so. Ich dachte, du kennst sie vielleicht.«
»Man kann doch nicht jeden an seiner Schule kennen«, mischte sich Robert in die Unterhaltung.
»Eigentlich schon«, widersprach ihm Sarah. »Ich bin nämlich Schülervertreterin für die Oberstufe, da kennt man schon die allermeisten.«
»Sie ist so alt wie Antonia, also ging sie im letzten Jahr noch in die Mittelstufe«, hielt Robert dagegen.
»Ich habe doch gleich gesagt, dass mit der was nicht stimmt«, meldete sich nun Matthias zu Wort, woraufhin Sarah neugierig wurde. »Was ist denn mit dem Mädchen?«
»Nichts«, knirschte Robert.
»Los, sag’s ihr schon«, forderte Matthias. »Sarah ist ja schließlich keine Klatschtante.«
Robert gab ein unwilliges Schnauben von sich und setzte Sarah in dürren Worten ins Bild, nicht ohne sie vorher zu ermahnen, mit niemandem darüber zu reden.
»Wahnsinn«, meinte sie, als Robert geendet hatte.
»Meine Rede«, knurrte Matthias und nahm über den Rückspiegel Blickkontakt zu Sarah auf. »Kannst du mal nachforschen, wie dieses Mädchen aus deiner Parallelklasse hieß und was aus ihr geworden ist?«
»Klar.«
»Was hast du für einen Grund, Selin so zu misstrauen«, fuhr Robert seinen Freund an.
»Sag mir lieber, welchen Grund ich habe, ihr zu trauen«, gab der zurück. Antonia war nahe daran, ihnen von dem Geld zu erzählen, aber dann hätte sie zugeben müssen, dass sie in Selins Zimmer herumgeschnüffelt hatte. Und das auch noch vor Sarah. Unmöglich, also schwieg sie.
Sie waren jetzt irgendwo hinter Schneverdingen und Matthias war von der Autobahn abgebogen. Auf einer Landstraße ging es durch einen Wald.
»Wo fahren wir hin?«, wollte Sarah wissen.
»Auf den alten Truppenübungsplatz der Briten«, antwortete Matthias. Der Wald hörte auf. Eine schmale, betonierte Straße führte durch die struppige Heide, die stellenweise zartlila blühte. Kein Auto, kein Mensch war zu sehen.
»Das sieht hier aus wie in einer Steppe«, fand Antonia.
»Ja, man erwartet fast, dass hier gleich ein paar Giraffen am Horizont auftauchen«, stimmte Sarah ihr zu.
Eigentlich ist sie ganz nett, dachte Antonia und revidierte ihre negative Einstellung, die sie von Katie einfach übernommen hatte. Schließlich musste nicht jedes Mädchen, das gut aussah, automatisch auch eine Zicke sein. Und außerdem – nach den gestrigen Erkenntnissen über Roberts Liebesleben – musste sie jetzt ja auch nicht mehr eifersüchtig sein.
Matthias bog von der Betonpiste ab und hielt querfeldein auf ein kleines Wäldchen zu. Eine Staubwolke hüllte den Wagen ein.
»Du warst doch erst so dagegen, Sarah, warum willst du jetzt doch mitmachen?«,
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