Röslein stach - Die Arena-Thriller
Glaubhaftes ein, schließlich konnte sie ihm ja schlecht sagen: »Ich habe in deinem Tagebuch gelesen, dass du auf Männer stehst, das hat meine Einstellung zum Tierschutz ziemlich verändert.«
Robert hatte ihr Zögern bemerkt und fragte: »Was ist? Hast du jetzt Schiss, weil die Bullen ermitteln?«
Für einen Angsthasen wollte Antonia dann doch nicht gehalten werden und im Grunde fand sie das Anliegen der Tierschutz-Aktivisten ja auch ganz in Ordnung. Irgendjemand musste dieser Tierquälerbande schließlich einmal die Stirn bieten, also antwortete sie mit gespielter Begeisterung: »Quatsch. Klar komm ich mit. Alles okay.«
Nachdem Robert gegangen war, versuchte Antonia zu lernen, wurde aber immer wieder durch polternde Geräusche unter ihr aus dem Konzept gebracht. Schließlich ging sie nachsehen, woher der Krach kam. Selin war in der Küche, bei deren Betreten Antonia fast über den Staubsauger gestolpert wäre, der vor der Tür lauerte. Ein ungewohntes Bild präsentierte sich ihr: Die Stühle waren hochgestellt, der Boden glänzte feucht, kein Krümel lag mehr auf der Arbeitsplatte, alles, was vorher irgendwo im Weg herumgestanden hatte, war fort – vermutlich in den Schränken. Der Wasserhahn blinkte vor Sauberkeit, ebenso die Spüle, der Herd und der Toaster, der Aschenbecher war sauber, der Mülleimer sah aus wie neu und selbst von Roberts ewig verkleckerter Espressokanne waren die eingebrannten Flecken verschwunden. Im Gewürzbord standen die Döschen blitzblank in Reih und Glied mit den Etiketten nach vorne. Selin hatte ein Tuch um ihr Haar gebunden, turnte auf einer Trittleiter herum und rieb gerade mit einem Putzschwamm am Schirm der Lampe herum, die über dem Küchentisch hing.
»Das… das musst du doch nicht machen«, sagte Antonia fassungslos.
»Es war schmutzig«, antwortete Selin nur.
»Na ja, ein bisschen schon«, räumte Antonia ein, die Selins Aktion für ziemlich übertrieben hielt. Saugen und mal Durchfeudeln hätte doch vollkommen gereicht. Es gab so etwas wie einen Putzplan, der an einer Pinnwand neben dem Kühlschrank hing. Demnach wäre diese Woche Katie dran, davor war es Matthias gewesen. Aber das mit dem Putzdienst wurde offenbar eher nachlässig gehandhabt. »Soll ich dir helfen?«, fragte Antonia lustlos.
Selin schüttelte den Kopf. Sie stieg von der Leiter, leerte das rabenschwarze Putzwasser in den Ausguss und wischte anschließend noch den Eimer aus. Dann schleuste sie sich wortlos an Antonia vorbei in den Flur und wenig später jaulte der Staubsauger auf.
Antonia nahm einen Joghurt aus dem Kühlschrank. Auch hier drin war alles sauber und geordnet und es roch nach Essig. Den Kühlschrank zu reinigen, war allerdings wirklich kein Luxus gewesen, das sah auch Antonia ein. An manchen Stellen hatte sich da drin schon intelligentes Leben gebildet. Sie verzog sich wieder in ihr Zimmer. Das konnte ja noch ein gemütlicher Vormittag werden. Diese Selin musste von einem Putzteufel besessen sein!
Irgendwie hatte Antonia jetzt ein schlechtes Gewissen. Also stand sie seufzend auf, ging nach nebenan und begann, das Bad zu schrubben. Sie wusste zwar nicht, ob ihre Arbeit Selins hohen Ansprüchen genügen würde, aber nach einer halben Stunde hatte sie die Nase voll und hörte auf. Sie fand, dass es schon sehr gut aussah, wahrscheinlich sauberer als je zuvor. Antonia war im Begriff wieder in ihr Zimmer zu gehen, als sie vor der Treppe, die zum Dachzimmer führte, stehen blieb. Von unten war noch immer – oder schon wieder – der Staubsauger zu hören. Was Antonia dann tat, konnte sie sich hinterher selbst nicht erklären. Spontan zog sie ihre Flipflops aus, warf sie vor ihre Zimmertür und huschte barfüßig die Treppe hinauf. Die Tür zu Selins Zimmer war zu, aber nicht verschlossen. Wahrscheinlich gab es gar keinen Schlüssel mehr, jedenfalls steckte keiner im Schloss, das registrierte Antonia, nachdem sie die Tür langsam geöffnet hatte. Das Bett war gemacht: das Kissen aufgeschüttelt, die Zudecke einmal gefaltet, das Laken straff. Wie in einem Hotel, dachte Antonia. Sie öffnete den Kleiderschrank. Ein einsames Kleid hing darin, sonst nichts. In der obersten Schublade der Kommode lagen ein paar T-Shirts und das Kapuzensweatshirt, in der mittleren zwei Jeans und etwas Unterwäsche, alles ordentlich zusammengelegt und aufgestapelt. Die unterste Schublade beherbergte die Stofftasche, die Selin am ersten Tag dabeigehabt hatte. Antonia zog sie heraus und warf einen Blick hinein. Die
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