Röslein stach - Die Arena-Thriller
befreundet sein. Sie seufzte innerlich. Dieser Gedanke tröstete sie leider kein bisschen.
In der Küche war Selin dabei, Tomaten zu häuten. Nach ihrer Putzorgie, für die Robert sie überschwänglich gelobt hatte, wollte sie nun offenbar auch noch beweisen, wie gut sie kochen konnte. Die will sich wohl mit aller Macht beliebt machen, grollte Antonia und fügte im Stillen boshaft hinzu: Eigentlich ist sie doch die perfekte Haus- und Ehefrau…
Während Robert und Selin zusammen Couscous mit Gemüse zubereiteten, wartete Antonia in ihrem Zimmer ungeduldig auf Katies Ankunft, um mit ihr über den Geldfund in Selins Zimmer zu reden. Vergeblich. Wo blieb sie nur so lange? Als Robert zum Essen rief, fiel Antonia ein, dass Katie heute wahrscheinlich wieder in der Kneipe arbeitete und davor gar nicht mehr hierher kam. So ein Mist! Ob sie sie anrufen sollte? Lieber nicht, der Donnerstag war ein beliebter Ausgehtag bei den Studenten, sie hatte sicher viel zu tun. Antonia musste wohl oder übel bis morgen warten. Und so lange würde sie Selin scharf im Auge behalten.
15.
Obwohl Antonia am Freitagmorgen extra früh aufgestanden war, um ihre Freundin noch zu treffen, wurde wieder nichts daraus. Katie, die am Vorabend erst gegen halb zwei nach Hause gekommen war, hatte verschlafen. Fluchend und schimpfend, dass sie schon wieder zu spät zur Berufsschule käme, rannte sie die Treppe hinunter und riss ihre Jacke von der Garderobe. Für ein Frühstück blieb keine Zeit, sie rief Antonia nur verwundert zu: »Du? Schon so früh?« Dann knallte die Haustür zu und wenig später sah Antonia sie wegradeln. Katie tat ihr leid. Zwei Jobs zu haben, war sicher ein ganz schöner Stress. Ob ihr das wohl genauso gehen würde, wenn die Schule wieder anfing? War das überhaupt zu schaffen, ein G8-Stundenplan am Gymnasium und dann noch ein Kneipenjob – falls sie überhaupt einen bekam. Auch danach hatte sie Katie noch unbedingt fragen wollen.
Missgelaunt ging sie wieder in ihr Zimmer. Da war eine Sache, die sie schon tagelang vor sich herschob, aber irgendwann musste sie sich ihr stellen: ihre Finanzen. Sie hatte sich über die Sparkasse einen Online-Zugang für ihr Girokonto einrichten lassen, ihn seit ihrem Einkaufsbummel mit Katie letzten Samstag aber nicht mehr benutzt, aus Angst, was sie da zu sehen bekommen würde. Ob und wann die erste BaföG-Zahlung kam, stand in den Sternen, sie hatte ja gerade erst den Antrag abgeschickt. Zu allem Überfluss musste sie diese Woche auch noch fünfzig Euro in die Haushaltskasse legen. Ich hätte was von Selins rätselhaftem Reichtum abzweigen sollen, dachte sie nun. Aber irgendwie war sie auch froh, es nicht getan zu haben. Eine Schnüfflerin zu sein, war schon schlimm genug, aber eine Diebin – so tief wollte sie dann doch nicht sinken.
Sie wappnete sich also für den kommenden Schock und tippte das Passwort ein. Na, so was! Sie war noch immer mit fast fünfhundert Euro im Plus. Hatten die Geschäfte das Geld noch nicht abgebucht? Doch, alle Läden hatten sich schon geholt, was ihnen zustand, eine erschreckend lange Reihe roter Zahlen mit einem Minus davor. Aber ganz oben sah sie eine schwarze Zahl: Jemand hatte ihr gestern vierhundert Euro überwiesen. Leider war kein Verwendungszweck angegeben und auch kein Name des Überweisers, nur eine rätselhafte zehnstellige Nummer. War das Geld von ihrer Mutter? Wie hatte sie das geschafft, wo Ralph sie doch so kurzhielt? Etwa hinter seinem Rücken? Klar, wie denn sonst? Ralph, dessen war sich Antonia sicher, würde seine Stieftochter garantiert lieber am langen Arm verhungern lassen, als sie zu unterstützen. Nichts würde ihm mehr Freude bereiten, als wenn Antonia wieder zurückkäme, weil sie pleite war. Bei dieser Vorstellung stieß sie ein kriegerisches Schnauben aus. Niemals! Vorher stell ich mich in die Fußgängerzone und singe!
Aber was, wenn Ralph herausbekam, dass seine Frau ihr heimlich Geld überwiesen hatte? Er würde sie… Antonia wagte gar nicht, den Satz zu Ende zu denken. Sie musste ihre Mutter unbedingt anrufen. Neun Uhr, Ralph müsste längst aus dem Haus sein. Sie wählte, es läutete und läutete, aber niemand hob ab. Ein ungutes Gefühl beschlich Antonia. Ganz ruhig, sagte sie sich. Sie kann zum Einkaufen gegangen sein, zum Arzt, zum Scheidungsanwalt… Sie versuchte es bei der Bäckerei, aber dort verkündete der Anrufbeantworter, dass der Laden für zwei Wochen geschlossen sei, weil man Urlaub mache. Urlaub? War sie mit Ralph
Weitere Kostenlose Bücher