Ro'ha: Teil 2 - Erwachen (German Edition)
gewöhnlich hielt sie diese Tür offen, damit sie sehen konnte, wer ihre Station betrat, doch jetzt wollte sie in ihrer Leere alleine sein.
Lautlos schoben sich die metallenen Blätter zusammen und schlossen die Außenwelt aus. Sie ließ sich auf dem ungemütlichen Hocker vor dem Schreibtisch nieder und starrte auf die dunkle Platte.
Sie hatten die Erde vernichtet.
Was war wohl aus den anderen Planeten geworden? Ihr Mond hatte sicherlich das Schicksal des Blauen Planeten geteilt, doch was war mit den weiter entfernten Himmelskörpern passiert? Hatte die Druckwelle, die der Explosion gefolgt war, vielleicht sogar das ganze System ausgelöscht?
Ihr Blick fiel auf eine flache Metallschale auf der Tischkante, die sie irgendwann hier abgestellt haben musste und die sie bislang noch nicht weggeräumt hatte. Sie betrachtete den Stauschlauch, die wenigen Tupfer und die lange Kanüle, mit der sie den Nicht-Xhar Crewmitgliedern vor kurzem Blut abgenommen hatte. Dieses Set musste sie wohl bei Ka'anda Roc verwendet haben, dem Daru, der nun nebenan auf den Tod wartete.
Gedankenverloren nahm sie die lange Kanüle in die Hand und drehte den Gegenstand langsam, ehe sie die Spitze schließlich gegen den Zeigefinger der linken Hand drückte, bis ein Tropfen Blut hervorquoll. Sie fühlte den Einstich nicht. Eigentlich fühlte sie gar nichts.
Mit dem Daumen presste sie leicht unterhalb der Einstichstelle gegen die Haut, bis sich der Tropfen löste und unnatürlich langsam auf die Tischplatte fiel. Er hatte die gleiche Farbe, wie das Geschoss, das die Erde vernichtet hatte.
Lange Zeit saß sie einfach da und sah zu, wie das Rot trocknete.
Irgendwann drang Azarions Stimme zu ihr durch und aus dem Nebel um ihren Geist schälte sich langsam die Erinnerung daran, dass der junge Soldat noch immer inmitten des Rekonstruktionsprozesses seiner Hand war.
"Lillja? Langsam mache ich mir wirklich Sorgen - wenn du nicht in den nächsten zehn Sekunden da heraus kommst, demontiere ich diesen Kasten und komm e zu dir!"
Seine Hand steckte bis fast zum Ellenbogen in dem kleineren OPG, das seinerseits mit dem Behandlungsbett fest verschraubt war und nur mit dem richtigen Werkzeug ohne Beschädigung abgenommen werden konnte.
Da der Xhar seine Drohung vermutlich wahr machen würde, stand Lillja schließlich auf und ging zurück in den großen Hauptraum.
"Da bist du ja", kommentierte der junge Xhar mit deutlicher Erleichterung. "Was ist denn nur passiert?"
Lillja schloss kurz die Augen und sah das Bild der vergehenden Erde vor sich. Ja - was war denn nur passiert?
"Dale weiß, dass ich seiner Tochter auf Torkash vier begegnet bin", sagte sie ausweichend und fragte sich im gleichen Moment, warum sie ihm nicht erzählte, was passiert war.
"Seine Tochter war auf dem Mond?", wiederholte Azarion ungläubig und sah kurz darauf betreten zur Seite. "Es hat ihn sicher tief betroffen, dass wir nichts unternommen haben, um der Station zu helfen."
Lillja nickte einfach. Er hatte Recht - sie war nicht die Einzige, die einen schlimmen Verlust hatte erleiden müssen. Sie waren damals einfach weggeflogen, als die Basis angegriffen worden war und hatten nicht einmal einen einzigen Schuss abgefeuert. Captain Dale hatte seine Befehle befolgt, ohne zu wissen, dass er damit sein Kind dem sicheren Tod überließ - aber war der Tod einer einzigen Person wirklich vergleichbar mit dem Unvorstellbaren, das mit ihrer Heimat passiert war? Wohl kaum.
"Dann hast du wohl nichts über diesen selbsternannten Captain Radu erfahren?", fragte Azarion weiter und hob wieder den Blick. Sie schüttelte den Kopf und hörte in sich hinein in der Hoffnung, irgendein Gefühl in sich zu finden.
Leere.
"Du stehst ja wirklich neben dir", fuhr der Xhar mitfühlend fort. "Dale wird sich schon wieder beruhigen."
Er schien zu glauben, dass sie die Trauer und die Verärgerung des Captains abbekommen hatte und Lillja beließ ihn in dieser Annahme. Über die Erde zu sprechen würde es nur realer machen und sie würde sich selbst zwingen müssen, sich mit dem Verlust auseinander zu setzen.
"Kann ich dich noch eine Weile alleine lassen?", fragte sie schließlich. "Der Regenerator ist programmiert und wird deine Hand nach Abschluss der Behandlung freigeben. Kalira wird sich das Ergebnis ansehen wollen - ich bin hierbei keine große Hilfe."
Er nickte, wenn auch etwas niedergeschlagen. Das Warten und Nichtstun stresste ihn und auch das Getrenntsein von seinen Teammitgliedern setzte dem Soldaten
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