Roland Hassel - 07 - Wiedergänger
nicht die letzte.«
»Churchill hat viel gesagt. Das mit Blut, Schweiß und Tränen paßt wohl eher zu unserer Situation.«
Er nickte tiefsinnig.
»Dieser Fall hat jedenfalls mit Strömen von Blut, Litern von Schweiß und Ozeanen voller Tränen zu tun.«
»Was hat die Razzia bei den Neonazis gebracht?«
»Eigentlich nichts. Die Befreiungsaktion hat uns einen kleinen Strich durch die Rechnung gemacht, wir mußten unsere Einsatzkräfte neu gruppieren. Aber dann schlugen wir zu. Wir fanden ein paar wertlose Papiere, sinnlose Zeitungen, alte Fotos von Nazigrößen und so weiter. Ein paar Namen haben wir notiert, aber die waren das Papier nicht wert. Entweder hatten wir sie bereits verscheucht …« Er goß sich Kaffee nach.
»… oder sie wurden gewarnt und haben euch ins Leere laufen lassen«, vollendete ich den Satz.
»Ja, oder sie wurden gewarnt«, wiederholte er tonlos. »Jemand, der von der Razzia wußte, muß sie informiert haben. Wenn wir den erwischen, also ich möchte dann nicht in seiner Haut stecken.«
»Morgen vormittag fahre ich nach Skebo«, sagte ich und versuchte, glücklich auszusehen.
»Ich weiß. Alles ist vorbereitet. Heute nachmittag bekommst du deine Instruktionen.«
»Wenn das noch notwendig ist. Glaubst du nicht, daß sie Karstens Diskette längst gefunden und sich deshalb nicht wieder bei mir gemeldet haben? In diesem Falle bin ich für sie nicht mehr interessant. Ich bin kein Feind mehr, sondern ein Bulle wie jeder andere.«
Er leckte sich die Oberlippe.
»Ehrlich gesagt, ich weiß nicht so recht. Deine Theorie hat etwas für sich. Klar ist, wenn sie die Diskette gefunden haben, bist du außer Gefahr, und ich wünsche dir ja auch ein sorgenfreies Leben. Aber wenn sie sie gefunden haben, dann bedeutet das auch, daß wir ganz von vorn anfangen müssen. Noch mehr Blut, Schweiß und Tränen.«
»Du meinst also, die Entscheidung könnte lauten: mein Leben oder das von vielen anderen Unschuldigen? Geht es darum?«
Er knabberte an einem Keks und antwortete in neutralem Ton: »Wir schützen dich, Rolle. Mit allen unseren Möglichkeiten. Du kannst sagen, das sei nicht genug, und in Anbetracht der Vorkommnisse der letzten Tage hast du wohl auch irgendwie recht. Aber du hast kein Recht, die Frage so zu formulieren.«
»Ich weiß, daß es ein Fehler war. Aber verdammt noch mal, es geht um mein Leben!«
In Uppsala suchte ich nach dem mir angegebenen Platz in der zweiten Etage des Parkhauses und stellte den Wagen ab. Ein Lieferwagen blinkte. Ich hastete hinüber und schwang mich auf die Ladefläche. Es ging kreuz und quer durch die Stadt, bis wir südlich vom Stadtkern auf einem Parkplatz hielten. Ich bekam einen Autoschlüssel zugesteckt, und jemand raunte: »Schwarzer Volvo rechts von uns. Die Tür ist offen. Stell ihn hinter deinem Japaner in dem Parkhaus ab, wenn du fertig bist. Schließ ab und leg den Schlüssel auf das rechte Hinterrad. Und fahr bloß vorsichtig!«
Ich bedankte mich leise bei meinen Kollegen aus Uppsala. Dann kroch ich zu dem Volvo hinüber, setzte mich hinters Steuer und zog mir die Mütze weit ins Gesicht. Einem Außenstehenden mußte die Maskerade lächerlich erscheinen, aber hier ging es um die Geheimhaltung von Virenas und Elins Versteck. Schnell fuhr ich auf die 282. In Knutby hielt ich an und ließ den folgenden Verkehr vorbeiziehen. Ich wollte sichergehen, daß ich nicht verfolgt wurde.
Eine Viertelstunde später bog ich auf die nach Norden führende Küstenstraße ein und war bald in Skebobruk. Die alte Erzgrube war seit Jahren stillgelegt, aber viele der alten Arbeiterhäuser standen noch, und vor allem das alte Herrenhaus der Grubenbesitzer. Es war ein imposantes, zweiflügeliges Gebäude im klassischen Stil, das in der Maisonne wunderschön aussah. Die gelbe Farbe harmonierte vortrefflich mit dem frischen Grün rundum. Langsam ging ich auf den Haupteingang zu und atmete die reine, frische Luft tief ein.
Als ich das Haus betreten hatte, befand ich mich plötzlich in einer anderen Welt. Die Räume waren schwer und gediegen möbliert, und es herrschte ein Schweigen, das in die Zeit vor Rock, Pop und Werbespots gehörte. Zur Linken saß eine Dame an der Rezeption, und ich fragte nach Virena. Sie hieß mich willkommen, zeigte mir die Treppe und nannte mir die Zimmernummer. Auch sie schien aus einer anderen Zeit zu stammen.
Ich versuchte, ruhig und gelassen auszusehen, aber in Wirklichkeit hatte ich ein ganz flaues Gefühl im Magen, und Bienen summten in meinem
Weitere Kostenlose Bücher