Roland Hassel - 07 - Wiedergänger
Kopf. Mir war, als stünde ich vor einer der wichtigsten Entscheidungen in meinem Leben.
Virena öffnete auf mein Klopfen und trat schnell einen Schritt zurück. Vielleicht fürchtete sie sich vor einem Begrüßungskuß.
Elin dagegen flog mir entgegen, und ich preßte mein Gesicht an ihren Hals und flüsterte ihr Dummheiten ins Ohr. Sie lachte und kicherte, als ich sie im Zimmer herumschwenkte.
Sie durfte auf meinem Arm sitzen bleiben, als ich mich umsah.
»Nettes Zimmer«, sagte ich und meinte es auch so.
Sie stand starr und steif und eisig und so abweisend da, daß ich es fast nicht mehr aushielt.
»Vielleicht gehen wir besser hinaus«, murmelte ich. »Es ist so schönes Wetter.«
Ohne ein Wort ging sie voraus, und ich folgte, mit Elin auf dem Arm. Sie berichtete ununterbrochen von all ihren kleinen Abenteuern, und ich reagierte mit »fein« und »prima« und »toll«.
Als wir draußen waren, wollte sie hinunter und sprang umher wie eine junge Katze. Alles interessierte sie.
»Würden Gnädigste mir auf einen Spaziergang zum See folgen?« schlug ich vor.
Kein Wort, und von ihrem Körper brauchte man keine Skulptur mehr zu machen, denn er war bereits versteinert. Wie zu jedem richtigen Herrenhaus gehörte auch hier ein Park dazu. Am Ufer des kleinen Sees lagen abfahrbereite Kanus, und Wege führten um das Wasser herum und in den Wald. Das Sonnenlicht glitzerte auf dem Wasser, und ich fühlte mich wie im biblischen Paradies. Ich war Adam und Virena Eva, aber wenn ich ihr das gesagt hätte, wäre ich von ihr mit einem Ast erschlagen und ertränkt worden.
»Hier ist es herrlich, findest du nicht?« versuchte ich es noch einmal.
Der Marmor schwieg.
»Ich möchte deine Meinung hören. Ist es nicht herrlich hier?«
»Was geht dich das an?« brach es aus ihr heraus.
»Was mich das angeht? Eine ganze Menge!«
»Ach ja?«
Elin kam mit einem flachen Stein, aber es gelang mir nicht, ihn über das Wasser hüpfen zu lassen. Nicht einmal das konnte ich mehr. Sie rannte zum Ufer hinunter, um ein paar lustige Insekten zu studieren. Ich seufzte tief.
»Warum kannst du das nicht verstehen?«
»Äh!«
»Was habe ich dir eigentlich getan?«
Sie warf mir einen Blick zu, der Rambo hätte erzittern lassen.
»Manchmal verstehe ich euch Kerle nicht! Ihr seid wie Kinder!«
»Wir werden nie älter als elf Jahre«, gab ich ihr recht. »Ein paar Optimisten behaupten zwölf, aber in Wahrheit sind es nur elf.«
»Ja, natürlich. Mach dich wieder nur lustig. Typisch. Das ist das einzige, was du kannst.«
»Ein bißchen mehr kann ich schon, aber wenn ich nicht mehr mit dir scherzen darf, ist es aus zwischen uns. Finito. Und mir scheint es beinahe, als hätten wir diesen Punkt erreicht.«
Sie antwortete nicht. Plötzlich schien alles einfach, und das flaue Gefühl verschwand aus meinem Magen, und die Bienen hörten auf, in meinem Kopf zu summen.
»Wenn du frei sein willst, weil du einen anderen Mann getroffen hast, werde ich mich nicht querstellen, solange Elin keinen Schaden nimmt. Außer, daß ich dem Kerl eine kräftige Abreibung verpassen werde.«
»Ein anderer Mann? Wie bist du denn darauf gekommen?«
»Ich weiß nicht, wie ich darauf gekommen bin, aber du kannst deinem Anwalt sagen, daß ich, was die Scheidung betrifft, mit allem einverstanden bin. Elin soll nicht leiden müssen. Du bekommst auch die Wohnung. Ich werde schon etwas Neues finden und kann solange bei Freunden übernachten.«
Bloß nicht in ein Junggesellenheim! Für die Alk-Strecke war ich noch nicht reif genug. Vielleicht konnte ich eine Gartenlaube mieten, bis ich etwas Besseres fand. Hauptsache, ein einsames Bett und eine Zimmerdecke zum Hinaufstarren
»Stopp, Roland!«
Der Marmor bewegte sich plötzlich und stemmte die Arme in die Seiten.
»Du kapierst ja überhaupt nichts! Erst wolltest du uns unbedingt loswerden, und jetzt … Was bedeuten wir dir denn schon?«
Ich griff mir an die Stirn. Die Geste mochte theatralisch wirken, aber das war nicht beabsichtigt.
»Wovon redest du? Ich euch loswerden?«
»Ja. Wir bedeuten dir nichts. Wir finden eine ermordete Person in unserer Wohnung, bestialisch zerstückelt. Er …«
»Das kannst du doch wohl nicht mir vorwerfen! Ich habe ihn doch nicht umgebracht!«
»Nein. Das ist es ja. Aber der Anschlag war genauso gegen dich gerichtet. Du warst in Gefahr. Elin und ich mußten hierher fahren, wo wir alle drei zusammen sein wollten, und du bliebst in Stockholm. Du hast lieber dein Leben riskiert, als
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