Roland Hassel - 14 - Piraten
den Verhören mit dem geständigen Täter erstellt worden waren.
»Kare Hultin, genannt Kusken!« rief er überrascht. »Hat er dich angezeigt?«
Kusken war ein bekannter Rowdy mit Muskeln im Hirn. Ich hatte ihn fünf- oder sechsmal verhaftet, zuletzt unter für ihn erniedrigenden Umständen, denn er trug bei seiner Festnahme lediglich einen geblümten Slip und mußte so ins Auto steigen. Wie immer hatte er Rache geschworen, aber diesmal seine Drohung wahr gemacht.
In den Protokollen dominierten Ovengrens Fragen. Deutlich wurde die Abneigung, die beide Seiten gegeneinander hegten, aber auch die Inkompetenz des Kommissars:
»Wurdet ihr von einem Insider unterstützt?«
»Vielleicht.«
»Von wem?«
»Tja, jedenfalls von einem, der sich auskennt.«
»Ein Bankangestellter? Oder meinst du, ein Polizist?«
»Möglicherweise war es ein Polizist.«
»Wie heißt er?«
»Vielleicht habe ich den Namen vergessen?«
»Kennst du ihn schon lange?«
»Kann sein, daß er mich mal hoppgenommen hat. Aber jeder Bulle ist bestechlich.«
»Ein Fahnder also?«
»Vielleicht.«
»Mit dir hat sich vor allem die Zentrale Fahndung beschäftigt. Wer war dort für dich zuständig?«
»Tja, wer wohl?«
»Deiner Akte zufolge hat Hassel dich verhaftet.«
»Hassel, ja ja.«
»War er euer Komplize?«
»Vielleicht.«
Und so weiter, und so weiter. Schließlich bestätigte Kusken alles, was ihm Ovengren in den Mund legte.
Mit diesen Protokollen ging Tagesson zum Staatsanwalt. Edvall konnte sich den Argumenten des Anwalts wohl nicht verschließen, denn in den neuen Verhandlungen war nur mehr von eventuellen Verdachtsmomenten gegen mich die Rede; die Ermittlungen würden weitergeführt. Es wäre gut, wenn ich in Haft bliebe, andererseits hätte er nichts dagegen, wenn ich bis zur endgültigen Klärung nach Hause geschickt würde. Tagesson war ein sehr energischer Verteidiger; der Richter sah keinen überzeugenden Grund, mich länger festzuhalten. Frei! Frei, frei, frei! Unter bestimmten Auflagen natürlich, aber frei!
Während ich mich umzog und meine persönlichen Gegenstände zurückerhielt, berichtete mir Tagesson, was inzwischen in der Welt außerhalb der Mauern passiert war. Ich hatte keine Ahnung gehabt, wie bekannt ich inzwischen war. Die Presse hatte sich auf den Polizisten gestürzt, der zum Räuber und Mörder geworden war, und mit negativen Schlagzeilen nicht gespart. Polizeichefs hatten mich als schwarzes Schaf bezeichnet und erklärt, daß man solchen Abschaum aus dem Korps entfernen müsse. Mein Name wurde nirgends genannt, trotzdem wußten alle Kollegen, um wen es ging.
»Erstaunlich, wie schnell man zum schwarzen Schaf werden kann«, meinte ich.
»Allerdings. Du bist übrigens vom Dienst suspendiert, bis der Fall geklärt ist. Ob dein Gehalt weiterläuft, weiß ich nicht, aber das wird man dir sicher mitteilen.«
Was bedeutete es, suspendiert zu sein? Durfte ich das Polizeigebäude nicht mehr betreten? Würde man mich mit dem Gummiknüppel bearbeiten, wenn ich den Kronobergspark betrat? Ich durfte gespannt sein. Aber zuerst wollte ich nach Hause, zu meinen geliebten Damen, in meine Wohnung, wo sich alle Türen und Fenster öffnen ließen, um die Luft freier Menschen hineinzulassen. Tagesson lächelte und verriet, daß er Virena vorgewarnt hatte.
Ich schloß auf und betrat die Wohnung. Virena fiel mir um den Hals, und wir umarmten uns schweigend. Mit dem Finger strich sie mir über die Wange.
»Du bist abgemagert.«
»Das gibt sich schon wieder.«
»War es … schwer?«
»Jetzt geht es mir wieder gut.«
Wieder umarmten wir uns, als wollten wir uns nie wieder loslassen. Elin kam mit einem Schulbuch und zeigte mir, was sie gelesen hatte; sie wußte nur, daß ich verreist gewesen war. Nach Kinderart führte sie einfach das Gespräch weiter, das wir vor meiner Verhaftung geführt hatten. Nach einer Weile hielt ich es nicht mehr aus. Ich lief in die Küche und begann, hemmungslos zu weinen. Der Damm war gebrochen, nun floß ab, was sich in mir angestaut hatte.
Virena kam mir hinterher und ließ mich weinen. Auf dem Küchentisch stand das feine Porzellan, Gläser funkelten, im Kühler stand eine Flasche Moselwein. Es gab gegrillten Hummer. Wir setzten uns, und Virena zündete die Kerzen an. Elin redete und redete, und ich konnte mich nicht satthören an ihrem assoziationsreichen Geplauder. Virena erhob ihr Glas.
»Willkommen zu Hause«, sagte sie leise.
»Ich fühle mich willkommen«, flüsterte ich
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