Roland Hassel - 14 - Piraten
werden?«
»Ja, sicher. Aber trotzdem.«
»Übrigens mußt du nicht allein frühstücken. Um neun kommt dir jemand Gesellschaft leisten. Rasier dich, du siehst aus wie ein Stachelschwein.«
»Wer ist es denn?«
»Was glaubst du? Elin, gib Papa ein Küßchen, wir sind ein wenig spät.«
Ein Küßchen später war ich allein. Leider mußte ich Elins lieben Schmatz gleich wieder abwaschen; auch der stachelschweinische Bart mußte daran glauben. Ich war nicht geweckt worden, fühlte mich aber trotzdem nicht ausgeschlafen. Was spielte das für eine Rolle. Wenn ich wollte, konnte ich den ganzen Tag verpennen. Keiner fragte nach mir, wahrscheinlich nicht einmal Ovengren, nur dieser eine angekündigte Gast. Ich brauchte nicht viel Phantasie, um mir vorzustellen, wer es sein könnte. Richtig, fünf Minuten vor neun klingelte Simon an der Tür.
Ich wollte mich zunächst abwartend verhalten; schließlich gehörte er jetzt zur anderen Seite. Aber dann umarmte er mich so herzlich und hieb mir seine Bärenpranke so kameradschaftlich auf die Schulter, daß ich es unterließ, auf Distanz zu gehen. Wer konnte diesem Lächeln schon widerstehen! Simon war mein bester Freund gewesen und war es vielleicht noch immer, mein Kollege, seit wir gemeinsam bei der Polizei angefangen hatten, mein Chef, seit er in Rudas Nachfolge befristet Kommissar geworden war. Er hatte die Gruppe und den Titel behalten dürfen. Jetzt reckte er gerade die Nase in die Luft wie ein lüsterner Trüffelhund.
»Es riecht nach frischgebrühtem Kaffee! Aus der Küche, vermute ich. Also nichts wie hin! Hier vergeuden wir nur unsere Zeit.«
Er trabte in die Küche und grunzte zufrieden.
»Drei Sorten Brot, man dankt. Schnittkäse und Schmelzkäse, wunderbar. Setz dich und schlürfe deinen langweiligen Tee. Willst du denn nie in die Kaffeegemeinde zurückkehren? Lang doch zu, sei nicht schüchtern.«
Wie immer hatte Simon das Kommando übernommen, und ich wurde zum Gast in meiner eigenen Küche. Er kannte keine Hemmungen, und alles Eßbare verschwand nach und nach in seinem Schlund. Seine kräftigen Kiefer mahlten. Als er sich nach vorn beugte, schimmerte seine Glatze, als wäre sie von seiner aus Rußland stammenden Frau Nadja poliert worden. Vielleicht hatte sie es ja wirklich getan. Sie versuchte auch, seine Anzüge in Form zu halten, doch bei seiner Figur zerknitterten sämtliche Kleidungsstücke sofort.
»Du wagst es also, das schwarze Schaf zu besuchen«, brummte ich.
»Ich habe keine Vorurteile. Dieser Pfefferkäse hier ist wirklich schön pfefferig.«
»Weißt du, daß ich während der Ermittlungen beurlaubt bin?«
»Ja, aber nicht in deiner Küche. Französische Baguettes? Mhm, ich weiß nicht warum, aber die schmecken mir besser als die Weißbrotscheiben, die Nadja immer toastet.«
»Wirst du nicht degradiert, wenn man erfährt, daß du mit dem Schandfleck Nummer eins verkehrst?«
Da wir unter uns waren, rülpste er herzhaft und goß sich ungeniert Kaffee nach.
»Natürlich riskiere ich, in der Wäscherei zu landen und Uniformen zu bügeln. Reich mir doch mal ein Wasa-Knäcke herüber!«
Er wirkte so unbekümmert, als sei überhaupt nichts geschehen. Irgendwo hatte er ja auch recht; schließlich betraf die Sache einzig und allein mich.
»Simon, ich höre auf. Ich habe mich definitiv entschlossen.«
»Prima. Ich habe dir schon immer gesagt: Tee ist nichts für dich, Kaffee schmeckt viel besser.«
»Ich meine den Job. Vor dir siehst du einen ehemaligen Polizisten. Wenn es Ovengren und seinem Anhang gelingt, mich zur Strecke zu bringen, bekomme ich automatisch lebenslänglich. Wenn nicht, dann kündige ich an dem Tag, an dem der Fall abgeschlossen wird.«
»Soweit ich weiß, kann dich Ovengren gar nicht zur Strecke bringen.«
»Dann sein Anhang.«
»Solche wie Ovengren haben keinen Anhang. Ein Staatsanwalt verläßt sich auf das Material, was ihm übergeben wird, und leitet daraus seine eventuelle Anklage ab. Andere Verbindungen zu Ovengren gibt es nicht. Wenn er merkt, daß Ovengren in die falsche Richtung steuert, reißt er das Ruder herum. Ist dir das nicht klar?«
Ich sparte mir jeden Kommentar. Was ich zur Kenntnis nehmen wollte, nahm ich zur Kenntnis, der Rest ging mich nichts an. Genau wie Virena wollte Simon wissen:
»Und wovon will der Herr Expolizist dann leben? Von Gurken und Tomaten, ekligem Grünzeug, wie du dich auszudrücken beliebst?«
»Nein, aber …«
»Stop, ich weiß, was in dem Hohlkörper vor sich geht, der auf
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