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Roland Hassel - 14 - Piraten

Roland Hassel - 14 - Piraten

Titel: Roland Hassel - 14 - Piraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olov Svedelid
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man nichts mit in die Zelle nehmen, womit man sich verletzen konnte. Ich hatte keinesfalls vor, mir aus Verzweiflung etwas anzutun, aber ich war hier nur ein gewöhnlicher Gefangener, für den man keine Ausnahme machte.
    Sie, die Polizisten. Nicht mehr wir. Ich hatte mich von einem Subjekt mit kriminalistischer Ausbildung in ein Objekt, einen mutmaßlichen Täter, verwandelt. Virena und Elin waren wahrscheinlich gerade nach Hause gekommen, plauderten miteinander und fragten sich, wann der Papa auftauchen würde. Gibt es Makkaroni zum Abendessen? Werden wir danach zusammen spielen? Aber der liebe Papa wurde zur selben Zeit in eine Zelle gebracht, wo ihm alle Lust zu spielen verging.
    »Wie lange muß ich hier zubringen?«
    »Woher soll ich das wissen?«
    »Bekomme ich etwas zu essen?«
    »Hier ist noch keiner verhungert.«
    Ich hatte überhaupt keinen Hunger, aber ich wollte das Gespräch am Leben erhalten, damit sich die massive Tür nicht hinter mir schloß. Doch zwischen uns war alles gesagt. Ich fühlte mich, als säße ich in einem Panzerschrank. Alles, was ich tun konnte, war, auf die Pritsche niederzusinken. Kahle Wände, eine unerreichbare Lampe, kahler Fußboden, kahle Decke, all das erzeugte kahle, fahle Gedanken. Ihr, die hier eintretet, laßt alle Hoffnung fahren …
    Langsam, so langsam wie ein Käfer auf harziger Baumrinde, schildkrötenlangsam, rheumatikerlangsam schlich sich die Erkenntnis in meinen hohlen Schädel, daß das Ganze kein Traum war und auch kein derber Scherz, über den sich die Kollegen insgeheim kaputtlachten. Ich saß in einer Zelle, hatte ein staatseigenes T-Shirt an und durfte keine Strümpfe tragen. Man hatte mich verhaftet, weil ich verdächtigt wurde, an einem schweren Verbrechen beteiligt gewesen zu sein. Hatten sie eigentlich gesagt, worum es ging? Ich konnte mich nicht erinnern. Die Leere in meinem Hirn wurde nach und nach durch einen dicken Brei ausgefüllt, der sich in den Windungen festsetzte und jeden logischen Gedanken verhinderte.
    Und doch kämpfte sich eine Idee durch die zähe Masse. Es mußte sich um eine groteske Verwechslung handeln, die sich im Verhör sofort aufklären würde. Hassel? Roland Hassel? Hier steht nur, daß ein R. Hassel verdächtigt wird. Moment, hier liegt noch ein Schreiben. Rune Hassel muß es richtig heißen. Verdammt, wer hat denn da nicht aufgepaßt? Eine Entschuldigung, ein paar scherzhafte Bemerkungen, und wir würden als gute Freunde scheiden. Nach Hause zu Virena und Elin, zum gemeinsamen Abendessen. Mein Magen krampfte sich zusammen. Warum, zum Teufel, wurde ich nicht geholt, damit ich das Mißverständnis aufklären konnte? Meine Zeit war kostbar. Virenazeit. Elinzeit. Freizeit. Freie Zeit.
    Jedenfalls war ich nicht im Kronobergsgefängnis im Polizeigebäude von Stockholm gelandet. Dort kannte ich alle, und alle kannten mich, aber es macht einen gewissen Unterschied, ob man Lieferant oder Kunde ist. Glaubte ich jedenfalls; mit dem Brei im Kopf ließ sich das nicht endgültig entscheiden. Die Luke in der Zellentür wurde geöffnet, und ein Wärter verkündete lakonisch:
    »Essen.«
    »Wann werde ich vernommen?«
    »Keine Ahnung. Jetzt gibt es erst mal was zu beißen.«
    Beefsteak, gekochte Kartoffeln, Salat, Milch. Nichts dagegen zu sagen. Wäre ich Vegetarier, hätte man mir fleischfreie Kost vorgesetzt und als Veganer auf Wunsch sogar Gras für mich gepflückt. Als ausgewiesenem Fakir hätte man mir frische Rasierklingen serviert. Wenn es nach dem Magen geht, lebt man als Gefangener nicht schlecht. Ich holte mein Tablett, und damit war die Unterhaltung beendet.
    Nichts zu tun, nichts zu lesen, nichts zum Zuhören, keine Zerstreuungen, nichts, was den Brei im Kopf in Bewegung versetzen oder gar in Gedanken verwandeln konnte. Um dennoch etwas für Körper und Seele zu tun, begann ich, die Zelle diagonal auszuschreiten. So hatten wohl alle Gefangenen gehandelt, seit das erste Gefängnis gebaut worden war. Die Zeit vergeht, und man schafft sich die Illusion, etwas zu tun zu haben. Nun gesellte ich mich zu diesen Millionen und Abermillionen, die in ihren Zellen herumgewandert und inzwischen begraben und vergessen waren oder noch lebten, aber als politisch Verfolgte in Kerkern schmachteten. Bald hatte ich die richtige Schrittlänge gefunden, um genau von einer Ecke in die andere zu kommen, und dann – kehrt marsch!
    Im Unterschied zu denen, die in den Verliesen von Diktaturen saßen, weil sie es gewagt hatten, das Maul aufzureißen,

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