Rolandsrache
etwas zu schaffen?«
Anna lächelte in sich hinein. »Nein, das glaube ich nicht, ganz im Gegenteil.« Sie wartete einen Moment, ehe sie den nächsten Satz aussprach, hoffte, eine Regung in seinen Zügen zu erkennen. »Und darum hatte ich angenommen, Ihr könntet mir etwas über deren Treiben berichten.«
Seine Miene war unbeweglich. »Du willst mir Häresie nachsagen?«
»Nein!« Anna schüttelte heftig mit dem Kopf. Nun wurde sie unsicher, ob es richtig gewesen war zu kommen, oder ob sie sich gerade um Kopf und Kragen redete. Was sie nun auch sagte, es war zu spät; sie konnte nicht mehr zurück. »Ich glaube nur nicht, dass Ihr mit der Vorherrschaft der Kirche in Bremen sympathisiert.«
»Das käme aber einer Häresie gleich, Anna. Ich bin Händler und unterwerfe mich den Anordnungen der Kirche, welche hier die Marktpreise bestimmt.«
Hatte sie wirklich erwartet, dass sie hier nur hereinzuschneien brauchte und er würde ihr erzählen, wofür manch einer seinen Kopf verloren hatte?
Wie naiv sie wieder einmal gewesen war. Anna ärgerte sich über sich selbst und spürte, wie ihr aus Verlegenheit die Röte in die Wangen stieg. Sie griff sich ein Haferplätzchen und kaute nachdenklich darauf herum, wohl bewusst, dass Wegener sie aufmerksam musterte.
Als sie seinen prüfenden Blick nicht mehr aushielt, stand sie auf. »Ich habe mich wohl geirrt, bitte verzeiht mir.«
»Setz dich«, befahl Wegener in einem strengen Tonfall und stand selbst auf, öffnete die Tür und sah kurz in die Diele.
Anna gehorchte verwirrt und drückte sich tief in das weiche Kissen in ihrem Rücken. Nervös faltete sie die Hände, damit er nicht sehen konnte, wie sehr sie zitterten. Wegener war ein wichtiger Mann, er genoss in Bremen ein hohes Ansehen, und sie hatte Angst, einen großen Fehler begangen zu haben. Wenn sie doch nur vorher mit Claas darüber geredet hätte, vielleicht hätte er sie davon abgehalten herzukommen. Wie bei Hemeling, dachte sie.
Der Händler nahm ihr gegenüber wieder Platz und verschränkte ebenfalls die Hände vor seinem Wams. »Ich weiß, woran dein Vater gearbeitet hat. Und …«, er deutete auf ihre zerschundenen Hände, »… wenn du nicht ausgesprochen dorniges Gestrüpp in der Werkstatt gefunden hast, dann glaube ich, dass ihr sein Werk fortsetzt. Meine Männer haben mir berichtet, dass ihr die Arbeit wieder aufgenommen habt und zwei Männer sogar in der Werkstatt nächtigen. Außerdem hörte ich, dass ihr große Mengen an Werkzeugen kauft.«
Offenbar blieb seinen wachen Augen und Ohren nichts verborgen. »Ihr wisst selbst, dass man kein Gestrüpp in der Werkstatt findet, und außerdem habt Ihr meinen Vater dort gefunden und konntet sehen, woran er gearbeitet hat.«
»Ich wusste es schon vorher. Der Roland wird der Kirche, allen voran dem Erzbischof, mit Sicherheit ein Dorn im Auge sein, ebenso den übrigen Gegnern des Kaisers oder Bremens wie die Herren von Hoya, Holstein, Friesland oder Jülich, welche sein Vorhaben mit Bremen nicht gutheißen. Ich hörte, dass der Kaiser Bremen seinen Schutz zugesagt hat und uns das Marktrecht gewährt. Um dagegen vorzugehen, müsste die Kirche einen Krieg gegen uns führen, doch stünden uns der Kaiser und die Hanse zur Seite, und das kann die Kirche sich im Moment nicht erlauben.«
»Aber vor nicht allzu langer Zeit ist wieder eine hölzerne Rolandstatue in Flammen aufgegangen. Es soll sogar einen toten Büttel gegeben haben. Es wird gemunkelt, dass es Gegner des Kaisers waren.«
»Ja, ich hörte davon. Mir kam zu Ohren, dass es Kriegsknechte der Kirche waren.«
»Die Kirche selbst?«, fragte Anna. »Steckt sie am Ende doch hinter allem?«
Wegener sah sie fest an und zuckte mit den Schultern. »Möglich. Es würde sie sehr schmerzen, wenn Bremen eine freie Stadt wäre.«
»Verzeiht mir, aber ich kann es mir schwerlich vorstellen. Andererseits gibt es nicht viel mehr Möglichkeiten, die mir in den Sinn kommen. Vater hatte doch keine Feinde.«
Ein leicht amüsierter Ausdruck trat auf Wegeners Gesicht. »Anna, jeder hat Feinde, vom Kaiser bis zum Hungerleider. Dein Vater war übrigens ein großer Befürworter des Plans, dass Bremen selbst über den Handel entscheidet. Und ich als Kaufmann bin es auch.«
Sie war einen Moment sprachlos. Wegener sagte nichts anderes, als dass er und ihr Vater doch Gegner der kirchlichen Rechtsgewalt waren, zumindest wenn es um das Marktrecht ging. Gut, sie wusste, dass ihr Vater nicht mit allem einverstanden gewesen war, was die
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