Rolandsrache
rührte die Milch um. »Wurden die Schuldigen schon gefasst?«
»Ich glaube nicht, aber die Büttel des Vogts waren inzwischen bei uns und haben viele Fragen gestellt. Claas gab ihnen Beschreibungen der Männer, aber seither haben wir nichts Neues gehört.«
Verächtlich schnaufte die Kräuterfrau. »Wer sich auf die Büttel verlässt, ist verlassen. Habt ihr schon eine Ahnung, wer deinem Vater und Claas nach dem Leben getrachtet haben könnte?«
Einen Moment überlegte Anna, ihr von ihren Verdächtigungen zu erzählen. Nicht alle waren dem Kaiser wohlgesonnen, und man musste vorsichtig sein. Es gab in Bremen noch genügend Kirchenfreunde, die sich nicht damit abfinden wollten, dass Bremen sich unter dem Schutz des Kaisers von der Herrschaft der Kirche abwenden wollte. Die Bürger wussten, dass einige dieser Leute hinter verschlossenen Türen aktiv waren, denn zu groß war inzwischen die Zahl derer, die sich vom Joch der Kirche befreien wollten. Inwieweit Anna Mechthild trauen konnte, wusste sie nicht genau. Wenn sie jedoch nicht fragte, würde sie auch keine Antworten bekommen. Sie glaubte sich zu erinnern, Mechthild und ihren Vater einmal gegen die Kirche wettern gehört zu haben. Anna hatte als junges Mädchen im Fieber gelegen und von Mechthild eine Medizin bekommen.
»Sag mal, du kennst doch viele Menschen in der Stadt.«
»Ja, es kommen einige mit ihren Gebrechen zu mir.«
»Und du hörst das eine oder andere.«
»Das eine oder andere.« Mechthild lächelte spitzbübisch, was sie jünger aussehen ließ, als sie war.
»Gibt es etwas Neues von den Gegnern des Kaisers? Es ist ruhig um sie geworden, oder?«
»Oh«, entfuhr es der Kräuterfrau, und sie machte ein wissendes Gesicht. »Dahin geht also dein Verdacht. Aber ich habe schon lange nichts mehr von denen gehört.«
Anna gab einen enttäuschten Laut von sich.
»Ich sehe, dir ist es sehr wichtig. Wenn du aber mehr darüber wissen möchtest, bin ich die Falsche. Sprich doch einmal mit eurem Nachbarn Wegener.«
»Wegener?« Anna wurde hellhörig. Er war ein angesehener Kaufmann, handelte mit Papier, erlesenem Tuch und feinen Gewürzen aus dem Orient. Als Patrizier entstammte er einer der ältesten Familien Bremens, ebenso wie Ratsherr Hemeling und der frühere Bürgermeister. Er und seine Männer waren Claas und ihrem Vater an jenem Tag zu Hilfe geeilt.
»Genau. Doch bewahre Stillschweigen darüber, dass ich es dir anvertraut habe.«
»Das werde ich.«
»Er kann dir bestimmt mehr darüber erzählen als ich, und wenn tatsächlich die Kaisergegner dahinterstecken, dann ist das neben dem Teufel wahrlich ein mächtiger Feind. Was könnte denn ihren Unmut gegen euch heraufbeschworen haben?«
»Vielleicht einer der Aufträge, die mein Vater gefertigt hat.«
»Redest du von der Statue, die er auf dem Totenbett erwähnte?«
Siedend heiß fiel Anna ein, dass sowohl Mechthild als auch Priester Arens das letzte Gespräch ihres Vaters mit angehört hatten. Da es nun nicht mehr zu ändern war, nickte sie.
»Sicher seid ihr jedoch nicht?«
»Nein.« Anna seufzte tief. »Wer sollte es sonst sein?« Den Verdacht, den sie gegen Friedrichs hegte, verschwieg sie lieber. Es hieß, dass dieser die Kräuterfrau öfter besuchte und lange blieb.
»Leider habe ich darauf keine Antwort. Doch nun zu dir, was führt dich bei dieser Kälte noch hierher?« Ihr Blick heftete sich auf Annas Hände.
Anna zeigte ihr die zahlreichen Blasen, Abschürfungen und Schnitte. Mechthild betrachtete die Wunden nachdenklich, holte dann einen Tontopf und setzte sich zu ihr.
»Nach Sticken sieht das aber nicht aus. Wie hast du dir das zugezogen? Du arbeitest doch nicht an dieser Statue weiter?« Sie zog ein Talglicht heran und begann, die Wunden an den Händen und Füßen mit einem stark nach Alkohol riechenden Lappen abzutupfen.
Jede Berührung brannte, doch Anna biss die Zähne zusammen und ließ sich nichts anmerken. »Ich wollte es zumindest versuchen. Du weißt selbst, dass Claas mit seinem Arm nichts machen kann.«
Verständnislos schüttelte Mechthild den Kopf. »Aber das ist derbste Männerarbeit. Kein Wunder, dass du so aussiehst. Besorgt euch doch ein paar Burschen, die euch helfen können. Es gibt genug lungernde Mannen in der Stadt.«
»Ich weiß, doch die Brüder von Claas helfen uns bereits.«
»Dann lass sie die harte Arbeit machen und schone dich etwas.«
»Sie können aber nicht alles.« Beschwörend sah sie die Kräuterfrau an. »Bitte verrate es
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