Rolf Torring 003 - Gelbe Haie
Weg war weit, und die Ebbe zog sie mächtig hinaus. Nur sehr, sehr langsam kam sie vorwärts.
Der schwarze Riese dagegen hatte ein leichteres Schwimmen, und seine mächtigen Arme brachten ihn dem gefürchteten „Tiger der Meere" schnell näher. Und jetzt - unwillkürlich hielt ich den Atem an -, jetzt waren sie zusammen.
Der Hai - ein kolossaler Bursche, ein Exemplar der größten Art von gut neun Meter Länge - hatte seine Schnelligkeit verringert und kam jetzt langsam, fast spielend, auf sein vermeintliches Opfer zu. Nur noch drei, noch zwei Meter trennten die ungleichen Gegner, da legte sich der Hai gemächlich auf den Rücken, um sein furchtbares Gebiß, das bekanntlich an der Unterseite des Kopfes liegt, gebrauchen zu können.
Und da schnellte Pongo vor, um ihm den Kris in den Leib zu stoßen. Aber der Hai schien die blitzschnelle Bewegung bemerkt zu haben, denn mit gewaltigem Schwanzschlag warf er sich zur Seite und schoß knapp an dem schwarzen Riesen vorbei. Dann warf er sich herum und stürmte in gewaltigem Schwung auf sein Opfer, das sich noch wehren wollte, zu.
Doch Pongo behielt die Ruhe. Mächtig wassertretend, daß sein halber Oberkörper über den Wellen tanzte, erwartete er den wütenden Feind. Jetzt war der Hai heran und warf sich mitten im Ansturm herum. Wohl kaum ein anderer Mensch hätte sich jetzt noch retten können, aber Pongo war seiner Sache sicher. Er sprang förmlich im Wasser seitwärts, tauchte. Dann hob sich sein Arm und zuckte blitzschnell wieder hinab.
Der Hai schoß so schnell an seiner erwählten Beute vorbei, daß er unbedingt den Riesen berührt haben mußte, aber der scharfe Kris Pongos saß bereits tief in seinem Leib. Und durch die Wucht, mit der die beiden Körper aneinander vorbeischössen, riß der scharfe Stahl, von der unlöslichen Hand des Schwarzen gehalten, den riesigen weißschimmernden Leib des furchtbaren Seeräubers bis zur Schwanzflosse auf.
Der tödlich verletzte „Tiger der Meere" warf in rasendem Toben blutige Wellen hoch und zerschlug sie im Todeskampf zu Schaum. Pongo aber hatte seinen Kris wieder zwischen die Zähne genommen und schwamm nun in mächtigen, weit ausholenden Stößen dem Strand zu. Jetzt kam Leben in die Kulis, die bisher - genau wie wir - dem aufregenden Schauspiel atemlos zugeschaut hatten. Sie stießen ein Wutgebrüll aus, daß ihnen ihr Opfer wieder entgehen sollte. Denn jetzt war nicht mehr daran zu denken, daß sie ihr Beiboot zu Wasser lassen und Ellen Abednego einholen konnten. Das junge Mädchen war höchstens noch fünfzig Meter vom Strand entfernt, und hinter ihr kam schon Pongo angeschossen, der sie bald erreicht haben mußte. Und daß der schwarze Riese sie nicht gutwillig wieder herausgab, das hatten sie ja soeben zur Genüge erfahren.
„Achtung, Hans, die Kulis!" brüllte Rolf, und ich sah es auch im gleichen Augenblick, daß verschiedene von ihnen jetzt mit Gewehren an Deck erschienen, um die beiden Schwimmer abzuschießen. Und wenn die Chinesen auch im allgemeinen sehr schlechte Schützen sind, so befanden sich doch gerade bei dieser Bande einige Scharfschützen, wie wir es bei dem Kampf im Engpaß bemerkt hatten. Wir hatten gutes Zielen, denn die Chinesen standen dichtgedrängt nebeneinander an der Reling. Und so fingen wir nach kurzer Verständigung an - ich von der linken Seite, Rolf von der rechten - das Deck mit den Schnellfeuergewehren zu bestreichen. Kaum hatten wir die zehnschüssigen Magazine geleert, so nahm uns Tomo die Gewehre ab, um sie neu zu laden, während wir aus unseren Parabellumpistolen weitere Bleigrüße hinüber schickten. Die Wirkung war besser, als wir erhofft hatten. Mehrere Kulis wälzten sich schreiend an Deck, einige lagen auch ganz still, die anderen aber suchten ihr Heil in der Flucht oder nahmen hinter Aufbauten und Mast Deckung. Wir hatten gerade unsere Pistolen ausgeschossen und nahmen die neugeladenen Winchester wieder in Empfang, als auch kein Feind mehr zu sehen war, der eine drohende Bewegung machte.
Jetzt konnten wir unsere Aufmerksamkeit wieder auf das junge Mädchen und Pongo richten, warfen aber doch alle paar Sekunden einen Blick auf die Dschunke. Pongo hatte die schon halb ermattete Schwimmerin jetzt eingeholt, nahm sie am Arm und riß sie förmlich durch das Wasser dem Strande zu. Er schwamm mit äußerster Anstrengung, und das wollte bei seinen übermenschlichen Kräften schon etwas bedeuten, aber nach unglaublich kurzer Zeit hatte er festen Fuß gefaßt, hob die
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