Rolf Torring 021 - Unter Fanatikern
Eingang im Steinblock benutzen wollten, dann hatte er kaum genügend Zeit, um sich unbemerkt zurückziehen zu können. Ich hielt es für richtiger, wenn wir sofort ein beträchtliches Stück in den nach draußen führenden Gang eingedrungen wären, um auf jeden Fall einen Vorsprung zu haben
Und diese Unruhe hielt mich endlich nicht mehr zurück. Schnell flüsterte ich Pongo zu, daß er stehen bleiben sollte, und schlich die Treppe hinauf.
Meine vorgestreckten Hände berührten endlich Rolfs Füße, der völlig unbeweglich stand. Ich zwängte mich neben ihn und lauschte ebenfalls. Im Tempel war lebhaftes Treiben. Schritte eilten hin und her, Stimmen murmelten durcheinander, und manchmal gab eine helle Stimme Kommandos.
„Wollen wir uns lieber nicht zurückziehen?" flüsterte ich.
„Sie scheinen nicht hier hineinkommen zu wollen," gab Rolf leise zurück, „ich kann mir aber wirklich nicht erklären, was sie im Tempel machen. Ob sie den vernachlässigten Götzen anrufen, daß er ihnen bei unserer Gefangennahme helfen soll?"
„Wollen wir hinausschleichen und vorsichtig um den Steinsockel blicken?" schlug ich in plötzlichem Wagemut vor.
„Daran hatte ich auch schon gedacht, komm, wir wollen es ruhig wagen."
Behutsam öffneten wir die Steinplatte. Heller Lichtschein drang durch die kleine Spalte, die Geräusche im Tempelraum klangen deutlicher, aber niemand schien unserem Versteck irgendeine Aufmerksamkeit zu schenken.
Und so zog Rolf die Steinplatte vollends auf, stieg leise hinaus und schlich zur rechten Ecke des Steinsockels. Ich folgte ihm natürlich sofort, wählte aber die linke Ecke.
Behutsam schob ich den Kopf vor und sah ein eigenartiges Bild. Dieser Tempel schien der Strafraum der verbotenen Stadt zu sein, und augenblicklich waren die Opfer unsere Torwächter, die nicht genügend auf uns aufgepasst hatten.
Die vierundzwanzig Mann standen mit nacktem Oberkörper in langer Reihe. Jetzt gab ein reichgekleideter Priester ein Kommando — ich erkannte sofort die helle Stimme wieder, die schon vorher kommandiert hatte — der erste Torwächter trat einige Schritte vor und erhielt von zwei kräftigen Unterpriestern zwanzig klatschende Peitschenhiebe.
Der Gezüchtigte gab keinen Laut von sich, verneigte sich, als die schmerzhafte Prozedur vorbei war, vor dem oberen Priester, zog sein Obergewand, das ein anderer Priester hielt an, und stellte sich in die Reihen der Zuschauer. Ruhig sah er nun zu, wie sein Kamerad, der zweite in der Reihe, seine Strafe erhielt.
Sehr schön war das Bild ja nicht, aber es fiel mir doch auf, daß mit dieser Strafe auch das Vergehen völlig vergessen zu sein schien, denn die Geschlagenen bewegten sich sofort völlig ungeniert zwischen ihren Gefährten, als sei nichts passiert. Und ich muß gestehen, daß dieser Zug mir sehr gefiel.
Endlich hatte der letzte Torwächter seine Strafe erhalten, das Tempeltor wurde geöffnet, und der Kommandierende schritt als erster hinaus. Wahllos folgten ihm die übrigen Priester, von denen viele Fackeln trugen, die sie beim Verlassen des Tempels verlöschten.
Ich mußte fast lachen, als ich bemerkte, daß einer der Priester, die so kräftig ihre Peitschen gebraucht hatten, ganz friedlich neben einem seiner Opfer dahinschritt beide eifrig in einem Gespräch begriffen.
Endlich war der letzte Fackelträger hinaus, hatte seine Leuchte verlöscht und drückte das Tor zu. Der Tempel lag wieder in völliger Finsternis, und nur der aromatische Geruch der Fackeln zeugte davon, daß soeben die eigenartige Prozedur hier stattgefunden hatte.
„Wenn sie uns fangen, werden wir vielleicht auch hier bestraft," flüsterte Rolf, als sich die Schritte der Priester in der Gasse entfernt hatten.
„Na, ich danke," gab ich zurück, „die beiden Priester schienen sehr kräftig zugeschlagen zu haben. Und ich bezweifle sehr, ob wir uns das so ruhig gefallen ließen."
„Das kann schon sein," meinte Rolf trocken, „aber jetzt wollen wir Pongo Bescheid sagen und dann unser Unternehmen endlich ausführen."
Wir riefen unseren treuen Schwarzen, der sofort mit dem gefangenen Priester heraufkam. Leise teilte ihm Rolf das Geschehen mit, ermahnte ihn nochmals, ja nicht den Gefangenen entweichen zu lassen, dann schloß Pongo die Steinplatte von innen, und wir schlichen leise zum Tempeltor.
Geraume Zeit lauschten wir auf die Gasse hinaus, dann drückte Rolf die Klinke vorsichtig herunter, öffnete leise das Tor, und schnell schlüpften wir hinaus.
Völlige Dunkelheit
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