Rolf Torring 031 - Auf den Pfaden der Inkas
ausmachen, sondern Sie höchstens erfreuen," lachte Thomson, „und ich persönlich lasse mich jetzt durch nichts mehr abhalten. Ich muß jetzt das Geheimnis der alten Stadt ergründen, mögen dort auch noch so viele Indios wohnen."
„Ich habe mal etwas von Curare gehört," sagte jetzt Rolf, „und der Tod durch dieses berüchtigte Pfeilgift soll nicht sehr angenehm sein, denn man erstickt langsam durch Lähmung der Bewegungsnerven, während die Gefühlsnerven weiter funktionieren. Man kann sich also nicht rühren und stirbt langsam bei vollem Bewußtsein."
„Es gibt aber auch gegen dieses Gift eine ziemlich. einfache Rettung," sagte Thomson eifrig, man muß dem Getroffenen nur Luft zur Atmung zuführen. Ich hoffe ja allerdings, daß wir hier mit diesem heimtückischen Gift keine Bekanntschaft machen werden, ich glaube übrigens, daß es mehr bei den Indianern Brasiliens zu treffen ist. Doch trotzdem werden wir wohl genügend Abenteuer und Gefahren erleb . . . ,"
Der Professor sprach die letzte Silbe nicht mehr aus, denn aus dem Vorraum erklang plötzlich ein heller Ruf, dann ein schreckliches, röchelndes Stöhnen, dem sofort gellende Schreckensrufe aus verschiedenen Kehlen folgten. Irgendein furchtbares Ereignis mußte die Familie des alten Wächters getroffen haben.
Wir sprangen sofort auf und eilten in den Vorraum. Auch Pongo schnellte von seinem Lager herunter — er hatte diese Laute trotz tiefsten Schlafes gehört — und trat dicht hinter uns ein.
Ein furchtbares Bild bot sich uns. Neben dem Feuer lag der alte Wächter in Zuckungen, die seinen nahen Tod anzeigten. Aus seinem Hals ragte ein Messer, dessen Griff golden blitzte, während das Stück Klinge, das zu sehen war, eine seltsam gewundene Form aufwies
Auf dem breiten Lager, das die Familie gemeinsam zu benutzen pflegte, kauerten die Frau und die sechs Kinder des Alten, von denen der älteste Sohn bereits dreißig Jahre zählen mochte.
Sie waren jetzt still und blickten nur mit weitgeöffneten Augen auf den Vater, den wir emporrichteten. Die Augen des Alten hefteten sich auf das Gesicht des Professors, dann öffnete er den Mund, als wollte er etwas sagen, doch nur ein Blutstrom quoll über seine Lippen, und nach einem krampfhaften Aufbäumen fiel sein Kopf kraftlos zurück.
Das Messer hatte seinen Lebensfaden durchschnitten. Langsam ließen wir ihn auf den Boden zurücksinken, und der Professor schritt jetzt auf die Lagerstätte der Familie zu.
Er sprach lange mit dem ältesten Sohn, der zuerst nur widerwillig antwortete, dann aber in heftige Vorwürfe gegen Thomson auszubrechen schien. Doch der Professor blieb ihm die Antwort nicht schuldig, und endlich schienen sich beide zu vertragen, denn Thomson reichte zum Schluß dem Indianer eine größere Banknote, die schnell im weiten Gewand des Indianers verschwand.
Thomson kam ans Feuer zurück, während sich die vier Söhne des Toten vom Lager erhoben. Der Professor beugte sich über ihn und zog langsam das Messer aus der furchtbaren Wunde.
Jetzt sahen wir, daß der Griff aus purem Gold bestand und eigenartig mit symbolischen Figuren bedeckt war. Die Klinge, wohl an fünfundzwanzig Zentimeter lang, war schlangenartig gewunden und auf beiden Seiten haarscharf geschliffen.
„Erzeugnis der Präinkakultur," murmelte Thomson, dann schritt er unserem Schlafraum zu und sagte dabei:
„Kommen Sie, meine Herren, ich werde Ihnen alles erzählen. Jetzt wollen die Söhne des Ermordeten den Vater zu den Gebeinen der Vorfahren legen. Der älteste Sohn übernimmt jetzt das Amt des Wächters, bis ihn vielleicht dasselbe Schicksal trifft. Doch er wird wohl vorsichtiger sein."
Wir nahmen in unserem Raum wieder um das Feuer Platz, das Pongo neu aufschürte. Nachdenklich betrachtete der Professor das blutige Messer, reinigte die Klinge, indem er sie mehrmals in die heiße Holzasche stieß und sagte dann langsam:
„Ja, am Tod des Alten bin ich mitschuldig, denn ich habe ihm den Rum gegeben, um seine Zunge zu lösen. Er hat mir das Geheimnis verraten und dafür mußte er sterben. Der älteste Sohn hat mir erzählt, daß plötzlich im Eingang des Doppelraumes ein großer, schlanker Indianer stand, nur mit einem weißen Lendentuch bekleidet. Er rief dem Alten nur zu „Verräter", dann zischte auch schon das blitzende Messer durch die Luft und bohrte sich in den Hals des Alten. Der fremde Indianer verschwand dann blitzschnell."
„Jetzt zeigt uns das Abenteuer, das wir vorhaben, schon seine ernsten Seiten,"
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