Rolf Torring 032 - In den Urwaeldern des Amazonas
Indianer war von der Spitze des Sumpfes ungefähr genau so weit entfernt wie wir. Und ein Zusammenstoßen mußten wir unbedingt vermeiden.
Sofort erhöhten wir mit aller Anstrengung unser Tempo noch, konnten aber nicht mit Pongo Schritt halten, der jetzt fast im Laufschritt dahinstürmte. Und das noch mit seiner, durch das Schwein beträchtlich erhöhten Last.
So kam es auch, daß er bereits unter den ersten Bäumen des Waldes verschwand, als wir ungefähr noch dreißig Meter entfernt waren. Endlich erreichten wir aber auch den Wald und sahen jetzt, daß der Sumpfarm bedeutend schmäler wurde. Bestimmt konnten wir ihn nach kurzer Strecke überqueren.
Plötzlich stießen wir auf Pongos Gepäck, das der Riese am Stamm einer mächtigen Tucumpalme niedergelegt hatte. Er selbst war nicht zu erblicken, und sofort flüsterte Rolf:
„Wir wollen hier warten. Pongo ist bestimmt dem feindlichen Indianer entgegengegangen, um ihn unschädlich zu machen. Wir wollen uns ganz ruhig verhalten."
Einige Minuten standen wir völlig reglos. Kein Laut war in der drückenden Hitze zu hören, die unter den Laubkronen der Bäume herrschte. Für unsere Glieder war diese kurze Ruhepause eine Erholung, aber unsere Nerven wurden doch durch die Spannung, was wohl Pongo erreichen würde, sehr mitgenommen.
Plötzlich tauchte der schwarze Riese völlig geräuschlos zwischen den nächsten Farnbüschen auf. Er lachte, als er uns erblickte und flüsterte:
„Alles gut, Massers, Feind lange still. Schnell weiter gehen."
Damit warf er sich wieder sein Gepäck auf den Rücken und schritt uns voran in den Wald hinein. So war nun einmal seine Manier, er vollbrachte die schwierigsten Taten, dann waren sie aber auch für ihn erledigt. Ich bedauerte oft. daß ich ihn noch nie zum Erzählen seiner früheren Erlebnisse hatte bewegen können, vielleicht hätten sie interessante Bände gefüllt.
Wir gingen jetzt nicht so schnell, bemühten uns aber dafür, möglichst leise aufzutreten und allen Hindernissen, die bei der Berührung irgend ein Geräusch hervorgebracht hätten, auszuweichen.
So drangen wir ungefähr eine halbe Stunde vor, als wir eine Stelle im Sumpf bemerkten, die wir leicht passieren konnten. Eine mächtige Ceder war nämlich, anscheinend erst vor kurzer Zeit, quer über den ziemlich schmalen Sumpfarm gefallen und bedeckte ungefähr dreiviertel der Entfernung. Von ihren letzten starken Ästen waren es ungefähr noch vier Meter bis zum anderen Ufer des Sumpfarmes.
Pongo begann sofort ohne viel Reden einige armstarke, wohl fünf Meter hohe Bäume abzuschlagen. Als er sechs Stück mit seinem Haimesser gefällt hatte, packte er sie zu einem Bündel zusammen, das er auf seine Schulter hob. Dann schritt er vorsichtig auf der gefallenen Ceder über den Sumpf entlang, balancierte über die stärksten Äste und legte dann, als er nicht mehr weiter konnte, die sechs Bäume von der Krone der Ceder hinüber auf das andere Ufer.
Ruhig schritt er dann auf dieser schwankenden Brücke hinüber, legte dort sein Gepäck ab und kam zurück.
»Massers kommen," sagte er nur, nahm den Professor wie ein Kind auf die Arme und trug ihn schnell hinüber. Wir folgten natürlich sofort, und jetzt zog Pongo die sechs gefällten Bäume zu sich ans Ufer. Mochten die Indianer ebenfalls einen Aufenthalt haben, wenn sie uns auf diesem Weg folgen wollten.
Wir konnten uns jetzt ruhig am Rand des Sumpfes halten, denn da wir wieder nach Osten schritten, wurde er immer breiter. Und ehe die Indianer so weit vorgedrungen waren, daß sie an den nördlichen Arm stießen, war die Entfernung beider Ufer schon so groß, daß sie uns kaum mehr sehen konnten.
Aber so einfachen Kaufes sollten wir doch nicht davon kommen. — Kaum zehn Minuten waren wir am Rand entlang geschritten, da hörten wir im Wald auf der gegenüberliegenden Seite des Sumpfes wieder die seltsamen, weittragenden Rufe der Indianer erschallen.
Aber jetzt waren sie nicht mehr so weit voneinander entfernt, sondern wir hörten ganz deutlich, daß die Verfolger einen ziemlich dichten Halbkreis gebildet hatten, dessen Anfang hinter uns, ungefähr an der Stelle unseres Überganges lag, während das Ende rechts von uns war.
Offenbar hatten sie also selbst überlegt, daß wir nur hier um den nördlichen Sumpfzipfel entflohen sein konnten. Und diese Mutmaßung war ja auch sehr naheliegend, denn am Südzipfel hatten sie ja keine Spur von uns entdecken können.
Pongo blickte scharf in den Wald zu unserer linken Seite,
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