Rolf Torring 041 - Vogelfrei
Willst du ihn etwa tragen?" fragte Rolf.
„Besser, wenn Massers ihn mitnehmen," wiederholte er. „Araber schon laufen. Pongo ihn munter machen."
„Hat er nicht noch einen Schluck in seiner Flasche?" fragte ich und schüttelte sie.
Wirklich, sie war noch fast, gefüllt.
„Wenigstens ein gutes Werk, das er uns unwissentlich getan hat," sagte ich. „Einen kleinen Schluck können wir davon nehmen, und den Rest teilen wir gelegentlich brüderlich mit ihm. Zu essen hat er nichts in der Tasche."
„Nun wir haben jetzt ja ein Gewehr. Da können wir uns ein Stück Wild schießen. Und vor allem haben wir eine Waffe, falls wir von wilden Tieren belästigt werden sollten," frohlockte Rolf. „Es wäre aber geraten, wenn wir uns hier nicht unnötig aufhalten würden."
„Massers, Mohammed Tip gleich munter," sagte Pongo, „dann Massers mit ihm sprechen. Ihm sagen, daß nicht schreien."
Nach kurzer Zeit murmelte der Araber auch schon unverständliche Worte. Er kam zu sich!
Pongo hielt ihm zur Sicherheit die Hände fest und drückte ihn auf den Boden nieder. Rolf überzeugte sich durch wiederholte Fragen, ob er schon so weit bei Verstand sei, daß er verstehen könne, was er ihm zu sagen hatte.
„Also, mein lieber Freund," redete Rolf leise auf ihn ein. „Du befindest dich jetzt in unseren Händen. Du weiß doch noch wer wir sind! Wir werden dich nicht den Engländern ausliefern, die dich gleich aufknüpfen würden, sondern du kommst jetzt mit. In Gesellschaft reist es sich angenehmer. Also steh auf, und dann immer munter mitkommen! Versuchst du zu fliehen, so wird unser Pongo dir das Genick brechen. Verstanden? Also los, wir haben es selber eilig!"
Was für ein verdutztes Gesicht er gemacht haben mochte , konnten wir in der Dunkelheit leider nicht erkennen. Aber er schien mit allem einverstanden zu sein. Er erhob sich und folgte unserem Pongo, der jetzt quer ins Gebirge abbog. Wir folgten ihnen und hatten ein scharfes Auge auf unseren Begleiter, dem wir nicht trauen durften.
Wir brauchten nicht viel zu klettern, denn obwohl das Terrain ziemlich steil anstieg, war es doch nicht zerklüftet, und unser Pongo suchte den bequemsten Weg für uns aus.
Es war ein stummer Marsch durch die Nacht. Wir verließen uns ganz auf Pongo. Der würde schon wissen, wohin wir vorläufig erst einmal gehen mußten.
Bald merkten wir, daß der Weg wieder abwärts ging, und Pongo blieb stehen.
„Massers ausruhen?" fragte er. „Weit laufen und keinen Schlaf."
Ich muß sagen, ich war wirklich müde. Die Schwitzkur hatte mich wohl so geschwächt. Und eine Pause kam mir sehr gelegen.
Als wir uns gelagert hatten, fand der Araber es für angezeigt, sich sozusagen zu entschuldigen. Denn sein Verhalten mußte auf uns ja den denkbar schlechtesten Eindruck machen. Vielleicht hatte er sich auch schon den Kopf zergrübelt, weshalb wir ihn nicht einfach totgeschlagen hatten. Er hätte an unserer Stelle wahrscheinlich anders gehandelt. Aus diesen Gedanken heraus und in der Ungewißheit über sein Schicksal, sagte er:
„Ich bin Ihnen eine Erklärung schuldig. Ich bedaure tief, daß ich genötigt war, so gegen Sie zu handeln. Ich stand unter einem Zwange, und mir blieb keine andere Wahl." Rolf lachte höhnisch.
„Ach so, Sie müssen wohl immer lügen?" fragte er „Es ist wohl eine Krankheit bei Ihnen? Sie können wohl nicht anders?"
Mohammed Tip tat so, als wenn er die Bemerkung überhört habe, und fuhr fort:
„Die Engländer treiben ein doppeltes Spiel. Als ich ins Lager kam, wurden mir Anträge gemacht, die ich entrüstet zurückwies, denn ich bin ein Ehrenmann. Aber als man später im Fort Udjidji das Ansinnen wiederholte, konnte ich nicht anders und mußte mich fügen.
Mir sollte nämlich mit meiner Karawane der Durchzug durch englisches Gebiet nur unter der Bedingung gestattet sein, wenn ich Sie der Spionage beschuldigte."
Rolfs Gesicht war nach dieser Eröffnung wohl ebenso verblüfft wie meins. Die Anschuldigung war so ungeheuerlich, daß ich es kaum glauben konnte. Aber plötzlich erkannte ich, daß Mohammed Tip gelogen hatte, denn dem widersprach seine Behandlung durch die Engländer. Wäre das nämlich der Fall gewesen, daß er uns auf englischen Befehl beschuldigt hätte, so hätte man ihn mit seiner Karawane weiterziehen lassen, und er wäre nicht mit uns nach Dar-es-Salam geschickt worden. So ähnlich mochte auch wohl Rolf denken, aber er behielt seine Gedanken für sich. Er meinte nur kurz: „Und da hielten Sie es für
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