Rolf Torring 047 ~ Unter Hereros
„Tatsächlich, woher wissen Sie das?" fragte der Engländer verwundert.
„Das war sehr leicht zu kombinieren", sagte Rolf kurz. „Ah, da hat Pongo sie ja schon."
Unser treuer Riese kam aus dem Wald heraus. Er führte an der linken Hand das Mädchen, das er mit seinem ausgeprägten Spürsinn in irgendeinem Versteck entdeckt hatte. Sergeant Thomson kam mit ihm und der Gefangenen auf uns zu:
„Herr Torring, alle Hochachtung!" sagte der Sergeant herzlich, „Sie haben unsere ganze Stadt von einem schweren Druck befreit. Herr Allison hat Ihnen sein Leben zu verdanken. Ah, das ist ja Kamba, er also hat diesen furchtbaren Gedanken gefaßt und ausgeführt. Schade, er scheint im Sterben zu liegen, er hätte den Strick verdient. Na, da müssen wir uns an Blessie halten."
Das junge Mädchen, das wirklich von außerordentlicher Schönheit war, hatte still neben Pongo gestanden, anscheinend in sein Schicksal völlig ergeben. Jetzt kniete sie neben ihrem Onkel nieder, und Pongo ließ ihren Arm los.
Im nächsten Augenblick sahen wir aber, wie gefährlich dieses Mischblut war. Denn blitzschnell flog sie hoch, ein kurzes Messer glänzte in ihrer rechten Hand, und mit gellendem Schrei sprang sie auf Rolf zu.
Zum zweiten Mal wurde Rolf durch einen Stock gerettet, durch den Stock, den sich Pongo abgeschnitten hatte und noch in der Hand hielt. Schneller als ein Gedanke sauste das zähe Holz durch die Luft, und Blessie sank mit einem Schrei in die Knie. Ihre Hand hing schlaff herab, — Pongo hatte ihr durch den gewaltigen Hieb den Unterarm gebrochen.
Ruhig hob der Riese jetzt das Messer auf, das einige Schritte zur Seite geflogen war. Dann sah er Rolf ernst an und sagte nur: "Vergiftet!"
Ja, die Spitze der kurzen Klinge war dunkel gefärbt. Hätte Rolf nur einen Riß bekommen, so wäre er wohl rettungslos verloren gewesen.
„Das ist wirklich ein sauberes Paar," meinte er ernst. „Pongo, ich danke dir. Aber jetzt wollen wir einmal diesen Kamha genauer untersuchen. Ich vermute nämlich, daß er diese unnatürlich langen Pranken dadurch erhalten hat, daß er Keulen, die mit Metallklauen versehen sind, in den Fäusten hielt. Dadurch mußte natürlich solch ein Schlag unbedingt tödlich wirken."
Wir zogen dem Bewußtlosen das dunkel gefärbte Löwenfell ab, das er als unheimliche Maskerade benutzt hatte. Wirklich war es so, wie Rolf vermutet hatte. Die kurzen, schweren Keulen, die Kamha in den Fäusten hielt, waren kunstvoll mit dem Fell überzogen, trugen aber an ihren Enden je vier starke, nadelspitze Krallen aus Eisen, die ganz entsetzliche Wunden hervorrufen mußten.
An den Füßen trug der Mörder starke Ledersandalen, deren Sohlen den Abdruck riesiger Raubtierpranken hinterließen. Auch sie waren an den Spitzen mit den furchtbaren Krallen versehen.
„So etwas Raffiniertes!" meinte Thomson grimmig, „zwölf Morde und die schwere Verletzung Westons hat dieser Unhold auf dem Gewissen. Na, jetzt heißt es, ihn in die Stadt zu transportieren. Wollen Sie hier warten, meine Herren, bis ich mit Trägern zurückkomme?"
„Wir müssen ja schnellstens weiter, Herr Thomson", sagte Rolf, „wir haben uns schon über eine Stunde aufgehalten und müssen auch noch unsere Sachen holen. Vielleicht bleibt Herr Allison hier?"
„Danke, ich habe wirklich von diesem Unhold völlig genug," stieß der Engländer hervor, „ich muß mich erst beruhigen. Nein, ich gehe mit Herrn Thomson schnellstens in die Stadt zurück."
„Herr Torring," sagte auch Thomson, „ich müßte Sie noch bitten, ein Protokoll über diesen Vorgang zu unterzeichnen. Auch Herr Warren muß es tun."
„Dann ist es vielleicht am besten, wenn Pongo hier bleibt," meinte Rolf, wir bringen seine Sachen mit."
„Pongo Mann nach Stadt tragen," sagte da der Riese ruhig, bückte sich und hob den mächtigen Neger mit Leichtigkeit auf. Ohne sich nach uns umzusehen, ging er auf die Stadt zu.
„Donnerwetter," staunte Thomson, „eine derartige Kraft habe ich noch nicht gesehen. Das ist ja direkt übermenschlich. Und wir müssen uns sogar beeilen, wenn wir ihm folgen wollen."
Er packte die wimmernde Blessie am gesunden Arm und zog sie hoch.
„Komm mit", sagte er rauh, „du hast genug Unglück gebracht, um nun auch leiden zu können. Deine Opfer sind in Schreck und Grauen gestorben!"
Wenngleich mir das hübsche Mädchen etwas leid tat, konnte ich
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