Rolf Torring 072 - Singha der Todbringer
gesehen. Sofort erkannte ich den Tiger an der mächtigen Narbe, die über seinen Kopf lief, wieder. Es war — Matsu, der Tiger, den wir im alten Tempel bei Gulbargha kennen gelernt hatten. (Siehe Band 71.)
Ich wußte nicht, was ich dazu sagen sollte, blickte erst Rolf an, der ein nachdenkliches Gesicht machte, dann den Fürsten, der mir lächelnd zunickte.
„Das wundert Sie, meine Herren, daß Matsu hier ist. Ich kenne Ihr Erlebnis in Gulbargha mit ihm. Mein Bekannter hat ihn mir zurückgeschickt. Früher gehörte er mir; ich hatte ihn nur verliehen. Ah, jetzt geht es los! Singha ist heute wie toll!"
Der Elefant stürmte mit zusammengerolltem Rüssel auf den Tiger los. Er wußte, daß er nur so seinen Rüssel vor den Pranken des Tigers schützen konnte. Matsu stand ruhig da, die Augen fest und unverwandt auf den Elefanten gerichtet. Als Singha dicht vor ihm war und die langen, weißen Stoßzähne ihn fast berührten, warf er sich mit heiserem Fauchen schnell zur Seite und führte gleichzeitig einen Prankenhieb gegen den Kopf des Elefanten.
Ein breiter Riß sprang auf dem Ansatz des Rüssels auf. Singha fuhr mit dumpfem Wutschrei herum und ging auf Matsu los, der geschickt vor den Stoßzähnen des Elefanten auswich. Diesmal schlug Singha mit dem Rüssel zu und traf den Tiger schwer.
Mit wütendem Aufjaulen flog Matsu, sich überkugelnd, einige Meter weit durch den Sand. Ehe er sich aufraffen konnte, war Singha wieder heran. Mehrmals schlug er mit dem Rüssel auf den brüllenden Tiger ein, dann stieß er ein schrilles Trompeten aus und wich eiligst zurück.
Ich nahm zuerst an, daß Matsu bereits besiegt Wäre. Aber er raffte sich wieder auf und packte die empfindliche Spitze des Rüssels seines Gegners. Seine Pranken gruben sich tief in das Fleisch ein.
Singha schleifte den Tiger, rückwärts laufend, hinter sich her. Er wollte sich den schmerzhaften Pranken entziehen. Aber Matsu, anscheinend immer noch halb betäubt, hielt mit aller Kraft fest.
Das Schauspiel war so aufregend, daß ich die Gefahr, in der wir schwebten, vergaß. Als mein Blick zufällig das Gesicht des Fürsten streifte, sah ich, daß er eine sehr enttäuschte, finstere Miene machte, offenbar mißfiel ihm die Wendung des Kampfes sehr.
Da ließ Matsu seinen Halt los. Singha stürzte wieder schnaubend auf ihn zu. Mit gewaltigem Satz sprang der Tiger hoch und hing am Rüssel des Elefanten, in den er sein Gebiß tief einschlug.
Das schien das Ende des Kampfes zu bedeuten, denn Matsu hatte die empfindlichste Stelle gepackt. Singha mußte durch die Schmerzen bald gelähmt werden und sich langsam verbluten.
Aber der Elefantenbulle war offenbar ein erfahrener Kämpfer. Wohl stand er einige Augenblicke reglos, dann raste er mit dumpfem Schnauben auf die Tribüne los. Seine Absicht war, den Tiger durch den Anprall zu betäuben, um ihn dann zu zerstampfen.
Matsu spürte die drohende Gefahr, in der er schwebte. Wie der Blitz sprang er hinab, wich vor dem Riesen aus und saß ihm gleich darauf am rechten Ohr, seine linke Vorderpranke tief ins Genick Singhas schlagend.
Der Elefant brüllte laut auf und warf sich seitwärts gegen die Holzwand der Tribüne, daß der ganze Bau erzitterte. Er war unmittelbar unter uns. Wir beugten uns schnell vor, um das Schauspiel aus der Nähe zu betrachten.
Matsu hatte sich bei der schnellen Wendung seines Gegners hinab fallen lassen, erhielt aber, als er zwischen den Beinen des Riesen hindurch schlüpfen wollte, einen schweren Schlag mit dem Rüssel, der ihn einige Meter davon warf.
Diesmal war der Schlag nicht mit voller Wucht geführt. Als Singha nach stürmte, saß ihm Matsu wieder am Rüssel und zerfleischte ihn mit Gebiß und Pranken.
Da sank Singha vorn in die Knie und drückte seinen Kopf gegen den Sand. Matsu wurde gezwungen, seinen Halt fahren zu lassen, sonst wäre er erdrückt worden. Es gelang ihm, mit gewaltigem Satz auf das Genick Singhas zu springen. Als er sein Gebiß einschlug, glaubte ich das Ende des Elefanten gekommen.
Singha rollte mit stöhnendem Brüllen zur Seite. Als er sich völlig überschlagen und dadurch den Tiger zum Fortspringen veranlaßt hatte, stand er auf und warf sich schnell herum.
Matsu befand sich schon im Sprung. Er hatte wohl wieder auf das Genick seines Feindes springen wollen, prallte aber gegen die Stoßzähne. Ein schwerer Rüsselschlag traf ihn von oben und
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