Rolf Torring 078 - Die Macht des Gottes
Eindruck.
„Das Werk meiner Tochter Daisy," sagte der Colonel stolz, als er unsere bewundernden Blicke sah. „Ich hoffe, daß Sie sich in meinem Hause recht wohl fühlen werden."
„Das nehme ich ohne weiteres an," sagte Rolf höflich. „Wirklich ein sehr hübscher Anblick!"
Von der Veranda, dessen niedrige Treppe wir erstiegen hatten, sahen wir zur rechten Seite einen Durchbruch zwischen den dichten Büschen und hohen Bäumen, die eine Zierde des Gartens bildeten. Dort trug ein breiter Fluß seine leichten, im Scheine der tiefstehenden Sonne rötlich funkelnden Wellen vorbei.
„Der Phalgu-Fluß," sagte der Colonel. „Sie werden ihn immer vor Augen haben, solange Sie als Gäste in meinem Hause weilen; die Fenster der Fremdenzimmer führen auf ihn hinaus."
Die beiden Zimmer, die wir angewiesen bekamen, waren hübsch und behaglich eingerichtet. Man fühlte sofort die ordnende weibliche Hand, die das Hauswesen betreute.
„Meine Tochter leitet den ganzen Haushalt," erklärte Cormick stolz, „bis meine Frau in einem halben Jahre aus England zurückkehrt. Dann wird mich Daisy wohl verlassen, denn ich glaube, mein Adjutant bewirbt sich um sie. Ich habe gegen Leutnant Jerry nichts einzuwenden. Er ist tüchtig und zuverlässig, wie ich schon erwähnte, und wird deshalb seiner Frau ein sorgenfreies Leben bieten können. Vor ein paar Wochen hat er zudem noch einen reichen Verwandten in England beerbt, wie er mir erzählte, als er hierher versetzt wurde."
„Kannten Sie Leutnant Jerry bereits von Kalkutta her?" fragte Rolf voller Teilnahme.
„Ja, wir waren ein paar Tage zusammen Gäste bei Sir James Cunningham, als meine Frau nach Europa reiste. Schon da wurde ich gewahr, welchen großen Eindruck der Leutnant auf meine Tochter machte. Ich nahm die Sache zunächst nicht ernst; ein kleiner Flirt, dachte ich. Aber wie Väter nun mal sind, wenn es sich um erwachsene Töchter handelt: ich zog Erkundigungen über Jerry ein und erfuhr, daß er ein korrekter, pflichteifriger Beamter ist. Damals besaß er noch kein Vermögen. Jetzt hat sich die Lage zu seinen Gunsten verändert, so daß es mir noch leichter wird, ihm meine einzige Tochter zur Frau zu geben. Jeder Vater freut sich, wenn er die Gewißheit hat, daß seine Tochter in ihrem späteren Leben keine Annehmlichkeit entbehren wird."
„Ist das Paar schon verlobt?" erkundigte sich Rolf.
Mir kam es vor, als läge ein Ton heimlicher Besorgnis in seiner Stimme. Der Colonel verneinte die Frage, Rolf nickte befriedigt. Dabei zog der Colonel ein Gesicht, als wollte er sagen, im Grunde verstehe er seine Tochter nicht, daß sie nicht auf den jungen Mann „fliege", sie wisse das Glück, das sich ihr biete, noch gar nicht zu schätzen.
Es klopfte. Cormick wandte sich der Tür zu. Ein junges Mädchen betrat auf sein „Herein" das Zimmer. Der Colonel stellte uns mit sichtbarem Stolz seine Tochter Daisy vor.
Er konnte stolz sein. Kaum je zuvor hatte ich ein so reizendes junges Mädchen gesehen. Ihre ebenmäßigen Züge waren von einem fröhlichen Ausdruck erhellt. Ihre hohe Stirn verriet Geist. Ihre Bewegungen hatten Grazie. Ihr Wesen atmete Licht und Sonne. Sie hatte etwas Liebenswertes, wenn man sie nur sah. Mir altem Junggesellen wurde ordentlich warm ums Herz. Ich begriff Rolfs Unbehagen sofort, als er von einer Verbindung der reizenden jungen Dame mit dem kaltäugigen Jerry hörte, der einen so berechnenden, unsympathischen Eindruck machte. Jede Frau mußte sich an der Seite des unangenehmen Strebers unglücklich fühlen.
Das junge Mädchen betrachtete uns mit unverhohlener Bewunderung und platzte heraus:
„Machen Sie dem gräßlichen Spuk, der hier sein Unwesen treibt, ein Ende, meine Herren! Bei Ihrem Abenteuerglück schaffen Sie es! Mein armer Vater hat gar keine Ruhe mehr."
„Ich hoffe bestimmt, daß es uns gelingt," sagte Rolf ernst.
„Sie sprechen ja, als hätten Sie bereits eine Spur gefunden," meinte Cormick erstaunt.
„Ich habe eine leise Ahnung, wie die Dinge zusammenhängen könnten," antwortete Rolf. „Aber ich kann erst darüber sprechen, wenn ich mit Beweisen aufwarten kann. Das werden Sie verstehen, Herr Colonel."
„Ihre Ahnungen sollen meist zutreffen," meinte der Colonel. „Wie schaffen Sie so erstaunliche Leistungen?"
Rolf entgegnete schlicht:
„Indem ich die Augen offenhalte und die Ohren und auf jedes Wort achte,
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