Rolf Torring 079 - Doktor Gallas Spinnen
blickte inzwischen genauer im Raum umher. Da entdeckte ich in der äußersten Ecke, völlig unbeweglich, den alter Inder, der mit gekreuzten Armen dastand. Seine Augen funkelten unheimlich, sie waren aber nicht auf uns, sondern auf Doktor Galla gerichtet. Ich glaubte plötzlich, in diesen Augen den Ausdruck des Hasses zu entdecken.
Die Beobachtung lenkte meine Gedanken von dem Doktor ab. Was ging da vor sich? Sollte der anscheinend so treue Diener seinen Herrn hassen?
Konnte uns von dieser Seite eine Rettung kommen? Würde der alte Inder vielleicht nicht zugeben, daß wir hier von einem Geistesgestörten auf entsetzliche Weise ums Leben gebracht wurden?
Schon spürte ich eine leise Hoffnung, da riß mich die Stimme Doktor Gallas in die Wirklichkeit zurück.
„Halt! Jetzt weiß ich es! Natürlich! Sie haben recht! Aber trotzdem kann nur ein genialer Mensch auf den Gedanken kommen. Sie meinen die in den Stein eingravierte Spinne! Sie war bereits von den Erbauern des alten Tempels in den Stein geritzt. Allerdings habe ich den Fehler gemacht, daß ich die Spinne nicht entfernt habe. Das werde ich nachholen. Ich bin Ihnen sehr dankbar, daß Sie mich darauf aufmerksam gemacht haben. Wirklich schade, daß ich Sie töten muß!"
Da trat der alte Inder plötzlich vor. Gebieterisch streckte er die Hand gegen Doktor Galla aus. Seine dunklen Augen lohten in unheimlicher Glut.
„Sahib Doktor," sagte er mit zitternder Stimme, »wer hat den Fürsten Ghanadi getötet?"
Dokor Galla wich zurück. Jetzt erkannte er, daß er einen großen Fehler gemacht hatte, als er uns erzählte, daß er seinen Reichtum durch die Ermordung eines Fürsten in Nepal erworben hätte. Mehrmals räusperte er sich, dann sagte er stockend:
„Was fällt dir ein, Nana? Geh auf deinen Platz!"
Ein wenig hatte er seine Selbstbeherrschung wiedergefunden und wies mit dem langen, dürren Finger in die Ecke, in die sich der Diener wieder zurückziehen sollte. Aber der alte Diener wich nicht zurück. Sein stolzes Gesicht verzerrte sich. Keuchend stieß er hervor:
„Jetzt weiß ich endlich, wer meinen Onkel ermordete. Du warst es, dafür sollst du sterben!"
Mit ungewöhnlicher Geschmeidigkeit warf sich der alte Mann auf Doktor Galla. In seiner Rechten blitzte plötzlich ein Dolch. In der nächsten Sekunde stieß er ihn dem überraschten Doktor in die Seite. Doktor Galla holte zum Gegenstoß aus und traf gut.
Der Diener taumelte schon einige Sekunden später ein paar Schritte zurück, drehte sich um sich selbst und fiel schwer nieder. Seine Glieder zuckten, dann streckte er sich mit einem tiefen Röcheln aus.
Auch Doktor Galla taumelte, raffte sich aber gewaltsam zusammen und sagte:
„Nun hat er mich nicht tödlich getroffen, — wenn nicht der Dolch vergiftet ist."
Schnell beugte er sich über den Körper Nanas, fuhr zurück und sagte gepreßt:
„Doch! Er war vergiftet! Ich bin verloren! Aber ich gehe nicht allein. Sie kommen mit! Sie sollen nicht erzählen können, daß ich gemordet habe. O Nana, viele Jahre warst du mein treuer Diener. So glaubte ich! Dabei wollte er nur den Mörder seines Onkels überführen. Ja, meine Herren, jetzt muß ich schnell meine Spinnen holen!"
Hastig, ab und zu taumelnd, verließ er den Raum. Ich wußte, daß wir jetzt keine Zeit mehr gewinnen konnten.
„Können wir gar nichts tun, Rolf?" fragte ich.
„Nein, wenn Goulden und Pongo nicht noch kommen, sind wir verloren," sagte mein Freund. „Ich kann mich trotz größter Anstrengung nicht bewegen. Aber die Stunde muß eigentlich vorbei sein. Hoffentlich zertrümmert der Doktor die Flasche mit dem Gegengift nicht!"
„Nein, meine Herren, das tue ich nicht," sagte Doktor Galla, der schon wieder eingetreten war und die letzten Worte mitgehört hatte. „Auf der Flasche ist sogar vermerkt, daß es das Gegengift ist. Aber ich habe darauf geschrieben, daß drei Tropfen in die Blutbahn eingeführt werden müssen. Davon würde jeder Mensch wahnsinnig werden und nach einigen Tagen sterben. So, zwei Spinnen habe ich mitgebracht. Die erste für Sie, Herr Torring!"
Doktor Galla stellte zwei Holzkästen auf den Erdboden, öffnete den einen und nahm die große Spinne heraus. Er schritt auf den Opferstein zu und setzte das Tier auf Rolfs Beine.
„So," erklärte er dabei, daß ich — da er zurückgetreten war — die Tragödie nicht nur hören,
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