Rolf Torring 097 - Gefährliche Feinde
Garn auch die Last des Seiles aushalten? Ich machte Rolf auf die Möglichkeit aufmerksam, daß es reißen könnte.
Mein Freund lachte und imitierte Pongos Sprechweise:
„Masser Warren beruhigt sein. Pongo schon machen!"
Inzwischen hatte Pongo das Ende des Hanfgarns mit dem Stein in Empfang genommen und befestigte das Seil daran.
Ich zog an, und zu meinem Erstaunen fühlte ich gar keine schwere Last. Ich schaute über die Brustwehr und mußte nachträglich über meine Befürchtung fast lachen. Pongo hatte nicht das Seil, sondern eine schwere, feste Schnur daran gebunden.
Mit der Schnur war es eine Kleinigkeit, das Seil hochzuziehen. Es dauerte auch nur wenige Minuten, bis wir das Ende des Seils oben hatten.
„Es wäre am besten," sagte Rolf, „wenn Herr Balling zuerst hinunter kletterte. Er kann Pongo unterstützen. "
Balling machte sich gleich zum Abstieg bereit. Als er unten gelandet war, fragte Rolf die junge Inderin, ob sie die Kletterpartie allein wagen würde. Sie nickte eifrig und kletterte sofort wie eine Katze in die Tiefe. Kurze Zeit darauf waren Rolf und ich am Fuße des Berges angelangt. Wir hatten von keiner Seite eine Störung erfahren und glaubten, daß man unsere Flucht nicht bemerkt hätte.
Pongo führte uns in den Wald hinein. Hier trafen wir vier Inder, die anscheinend auf uns gewartet hatten. Die junge Inderin warf sich in die Arme des einen Mannes und rief beglückt: „Vater! Vater
Pongo hatte ihm die Nachricht gebracht, wo sich seine Tochter befinde. Er war sofort mit Pongo mitgekommen und hatte drei seiner Diener mitgenommen.
Der Dank des Vaters der jungen Inderin war überschwenglich und wollte kein Ende nehmen, aber Rolf wehrte ab. Noch waren wir nicht in Sicherheit. Auch seine Tochter hatte noch nicht alle Gefahren hinter sich.
Schnell traten wir den Rückweg nach Chirang an. Drei Stunden später trafen wir im Hause des Kaufmanns ein. Er hatte uns eingeladen, seine Gäste zu sein, da er seiner Tochter wegen mit uns noch ausführlich sprechen wollte.
Khuvata, der Kaufmann, wollte die Polizei verständigen. Rolf aber überzeugte ihn, daß das zwecklos sein würde und nicht ungefährlich, denn die Priester würden dann sofort wissen, daß ihre Göttin zu ihrem Vater zurückgekehrt sei. Sie würden alles daransetzen, sie wieder in ihre Gewalt zu bringen. Sie glaubten bestimmt fest an das göttliche Wesen der jungen Inderin, die ihnen Glück bringen sollte.
„Am besten würde es sein, Herr Khuvata, wenn Sie zusammen mit Ihrer Tochter Bhutan erst einmal verließen. Hier würden Sie im Augenblick keine Ruhe haben. Haben Sie entfernt wohnende Verwandte, zu denen Sie Ihre Tochter bringen können?"
Der Kaufmann nickte.
„Morgen in aller Frühe reisen wir ab. Meine Geschäfte kann einstweilen mein Stellvertreter weiterführen. Er ist über alles genau informiert Ich werde Shana, meine Tochter, als Jungen verkleiden, dann wird niemand sie erkennen. Wenn ich Bhutan hinter mir habe, ist von den Priestern nichts mehr zu befürchten."
„Seien Sie nicht unvorsichtig, Herr Khuvata. Der fanatische Glaube oder Irrglaube der Priester überbrückt Erdteile. Ich habe es erlebt, daß in einer europäischen Stadt ein indischer Priester auftauchte, um einen jungen Europäer mit dem Tode zu bestrafen, weil dieser seinen Gott beleidigt hatte."
„Dann wäre ich ja nirgendwo sicher, Herr Torring! Raten Sie mir, was ich tun soll. Ich muß mein Kind unbedingt vor allen Nachstellungen schützen."
„Ich fand Ihren Einfall, aus Shana einen Jungen zu machen, ausgezeichnet. Erzählen Sie keinem Menschen, daß der junge Mann Ihre verschwundene Tochter ist! Bleiben Sie eine Zeitlang fort und kehren Sie mit dem Jungen zurück!"
Khuvata dankte Rolf herzlich und wollte sofort mit seinem Stellvertreter sprechen. Aber Rolf riet auch davon ab und hielt es für richtiger, den Mann erst zu benachrichtigen, wenn Khuvata mit Shana die Stadt verlassen hätte.
Wir blieben bis zum frühen Morgen bei Khuvata und kehrten erst in unser Hotel zurück, als der Kaufmann mit seinem „Jungen" abgereist war.
Die Herren von der Polizei erwarteten wir erst mittags. Wir wollten über unser Erlebnis schweigen, und Balling wollte seinen Wettpartnern erzählen, daß der Tiger gar nicht aufgetaucht sei.
4. Kapitel Die Rache des Priesters
Balling, Rolf und ich saßen auf
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