Rolf Torring 097 - Gefährliche Feinde
Auch Maha fand unsere Spur nicht mehr. So blieben unsere beiden Freunde am Ufer. Gegen Abend entdeckte Pongo im Gebüsch den Sampan.
„Ich hätte Lust, jetzt noch einmal den Felsentempel zu besuchen," sagte Rolf nach längerem Schweigen.
Balling und ich waren einverstanden.
„Wo ist eigentlich Maha?" fragte Rolf.
„Maha dort sein," antwortete Pongo und wies auf das linke Ufer.
Wir trieben immer weiter den Fluß hinab und mußten bald die Stelle erreichen, an der der Dschungelpfad begann. Der Fluß machte eine Biegung. Als wir um das Knie herumgefahren waren, kam uns ein Sampan entgegen: der Kahn, in dem unsere Verfolger saßen.
Die Inder stutzten, als sie uns erblickten, und begannen, unter lautem Rufen, ihren Sampan uns entgegenzutreiben.
Balling stieß sein Boot von unserem ab und ließ seine Pistole durch die Luft wirbeln. Die Inder hatten diesen Vorgang im Dämmerlicht, das der Mond verbreitete, wohl nicht deutlich gesehen, aber sie merkten doch, daß ihnen nicht ein Boot entgegenkam, sondern daß es zwei waren.
Als wir in Rufnähe gekommen waren, rief Rolf sie an:
„Wenn ihr näher an uns herankommt, schießen wir. Wir sind im Besitz unserer Waffen und werden sie gebrauchen. Wir haben euch nichts getan, ihr aber habt gesehen, daß Dschira uns ein zweites Mal befreit hat. Wollt ihr jetzt wieder entgegen dem Willen eurer Gottheit handeln?"
Der alte Priester saß nicht mit im Boot, sonst hätte er sicher Worte der Erwiderung gefunden. So fiel es nicht schwer, die Inder zu überreden, daß sie uns Glauben schenkten und uns in Ruhe ließen.
Balling wollte das Tigerfell haben und verlangte es als Entschädigung für die erlittene Unbill.
Die Inder waren inzwischen doch näher herangekommen und hatten sich überzeugt, daß wir im Besitz unserer Waffen waren. Sie versprachen Balling, das Tigerfell zu holen. Es liege im alten Felsentempel, der bald zerstört werden sollte, weil er von Fremden entweiht worden sei.
Gemeinsam ruderten wir bis zum Dschungelpfad und gingen mit den Indern zum Felsen. Sie waren jetzt ganz friedlich, da sie uns als Günstlinge ihrer Göttin betrachteten. Rolf versprach ihnen deshalb auch, daß die Göttin Dschira bestimmt zu ihnen zurückkehren werde.
„Wollen die Sahibs mit in den Felsen kommen?" fragte ein älterer Inder uns, und als Rolf dies nach kurzer Überlegung bejahte, führte er uns über die Lichtung einem unscheinbaren Hügel zu. Seine Begleiter waren uns vorausgeeilt. Ich wollte Rolf gegenüber meine Bedenken äußern, als der ältere Inder sagte:
„Die Sahibs brauchen nichts mehr zu befürchten. Wir haben erkannt, daß Dschira euch gutgesinnt ist, und werden unser Wort halten."
Rolf nickte. Mir war es gar nicht klar, daß wir unangefochten den Tempel wieder verlassen würden. Auf alle Fälle lockerte ich die Pistole im Gürtel unauffällig.
Rolf sah es und lächelte.
„Du kannst ganz sicher sein. Die Inder tun uns nichts mehr zuleide, Hans. Ich wäre an sich auch lieber auf der Lichtung geblieben, aber dann siegte in mir doch das Interesse an dem alten Felsenbau. Die Inder werden uns eine Besichtigung bestimmt erlauben."
Wir krochen einzeln durch den Gang und gelangten in die Kellerhöhle, von der aus die Treppe nach oben führte. Der ältere Inder hatte hier auf uns gewartet. Rolf fragte ihn:
„Ist es erlaubt daß wir den Tempel besichtigen? Ich verspreche zugleich im Namen meiner Kameraden, daß wir nie über das Gesehene und überhaupt über unser ganzes Erlebnis zu anderen Menschen sprechen werden."
„Du kannst dir den Tempel genau ansehen, Sahib, und hinterher auch darüber sprechen, denn bald wird hier nichts mehr zu finden sein."
„Wollt ihr den Tempel wirklich zerstören?" fragte Rolf.
„Ja, Sahib, so ist es uns befohlen worden. Aber du brauchst nichts zu befürchten. Wir zerstören ihn erst, wenn ihr ihn wieder verlassen habt."
So sind die Inder. Wenn Fremdlinge ihre Heiligtümer kennen gelernt haben, müssen sie zerstört werden. Das verlangt der strenge Sektenglaube. Wir hätten dagegen gern protestiert, denn das Bauwerk war entschieden ein Kunstwerk, aber wir wußten, daß sie sich nicht umstimmen lassen würden.
Wir folgten dem alten Inder in die oberen Räume. Zuerst sahen wir den Raum, in dem wir die Göttin schlafend angetroffen hatten. Alle Teppiche und Kissen waren
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