Rolf Torring 097 - Gefährliche Feinde
der einen fesselt, das eine freie Ende der zum Fesseln verwandten Schnur um das Handgelenk und muß darauf achten, daß die Schlinge so gezogen wird, wie man sie haben will. Die weitere Fesselung ist dann bedeutungslos. Ich habe den Trick eben angewandt und glaube, daß er mir gut gelungen ist. In einer halben Minute bin ich frei, wenn ich will."
„Ausgezeichnet, Rolf! Dann brauchen wir den alten Priester nicht mehr zu fürchten. Wenn wir aber zum Abend wieder Essen bekommen, mußt du darauf achten, daß dir der Trick zum zweiten Male gelingt."
„Ich werde es dann genau so machen und hoffe, daß der Inder nichts bemerkt. Wenn ich erst einmal die Hände frei habe, bin ich mir sicher, daß wir uns hier entfernen können."
Bis zum Abend war noch lange Zeit. Wir benutzten sie, um uns tüchtig auszuschlafen, denn wir wußten nicht, was die Nacht an Anforderungen für uns bereithalten würde.
Ich erwachte erst, als unsere Wächter uns das Essen brachten. Draußen war es schon dunkel. Es mochte gegen 21 Uhr sein.
Nach dem Essen wurden wir wieder gefesselt. Ich vermied es, zu Rolf hinüber zusehen. Erst als die Inder die Laterne mitnahmen, blickte ich ihn schnell an und sah ein siegesfrohes Lächeln auf seinem Gesicht. Dann wurde es dunkel um uns.
„Wir wollen jetzt still sein," flüsterte Rolf mir zu. "Am besten wird es sein, wir geben vor, wieder zu schlafen. Ich habe die rechte Hand schon frei, die linke wird auch gleich von den Fesseln los sein. Fertig! Geschafft! Noch rasch die Fußfesseln! Ich komme gleich zu dir hinüber, um deine Fesseln zu lösen."
„Ich würde noch warten, Rolf, ich halte den Zeitpunkt noch für verfrüht. Vielleicht kommt noch einmal ein Wächter, um nach uns zu schauen."
„Du hast recht, Hans. Ich bin jetzt vollständig frei. Wir könnten sofort fliehen. Aber vielleicht ist es besser, auf den alten Priester zu warten, der sicher während der Nacht zu uns kommen wird."
Länger als zwei Stunden blieben wir ruhig liegen, dann fühlte ich plötzlich Rolfs Hand, die meine Fesseln aufknotete. In kurzer Zeit war ich frei. Wir legten uns so wieder hin, wie wir gelegen hatten.
Atemlos lauschten wir in die Dunkelheit hinein. Die beiden Posten mußten zurückgezogen worden sein, denn wir hörten sie nicht mehr. Das war ein Zeichen, daß Gefahr drohte. Sicher hatte der alte Priester die Anordnung gegeben, um allein mit uns sein und uns ohne Zeugen töten zu können.
Mitternacht mußte vorüber sein, als wir einen schwachen Lichtschein bemerkten. Wir lagen ganz still, als ob wir schliefen, beobachteten aber durch einen kleinen Spalt der fast geschlossenen Augen die Tür.
Die Tür bewegte sich in der Angel, und herein trat — der alte Priester. In der rechten Hand trug er einen Dolch, in der linken eine Laterne, die er in einiger Entfernung von uns auf den Boden stellte. Langsam ging er auf Rolf zu, beugte sich leicht über ihn und wollte zum Stoß ausholen.
Ich war ganz leise aufgestanden und riß, als er zum Stoße ansetzte, seinen Arm nach hinten. Gleichzeitig war Rolf aufgesprungen und hatte den Alten an der Kehle gepackt, so daß er keinen Laut hervorbrachte.
Der alte Inder wand sich mit verzweifelten Bewegungen in unseren Armen. Allmählich wurden seine Bewegungen kraftloser, schließlich sank er zu Boden.
„Wir binden ihn genau so, wie wir gefesselt waren, Hans," flüsterte Rolf mir zu. „Die Inder werden es als ein Zeichen Dschiras ansehen."
Schnell war der alte Priester gefesselt. Wir banden ihn an die Wand an der Stelle an, wo Rolf gelegen hatte. Leise schlichen wir in die große Tempelhalle, um einen Ausgang zu suchen. Für alle Fälle hatte Rolf den Dolch des Priesters mitgenommen.
5. Kapitel
Auf der Flucht
Völlige Finsternis umgab uns, nachdem wir die alte Laterne gelöscht hatten. Wir tasteten uns nach der großen Tempeltür; sie war verschlossen. Da unsere Bemühungen, sie zu öffnen, vergeblich waren, mußten wir uns nach einem anderen Ausgang umsehen.
An der linken Wand des Tempels gingen wir entlang und suchten nach einer Tür. Wir wollten die Laterne erst wieder anbrennen, wenn wir einen Ausgang gefunden hatten.
Plötzlich stieß mein Fuß an einen Körper: es war ein Inder, der hier gelegen hatte. Er stieß einen erschrockenen Ruf aus.
Im gleichen Augenblick bemerkten wir einen kleinen Lichtschein. Rolf hatte eine
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