Rolf Torring 107 - Lola Montua
bis wir den Mann oder die Männer gefunden haben, die meinen Bruder erschlugen."
Pongo ging noch einmal vom Lager fort und untersuchte eine Anzahl Bäume, fand aber nichts Verdächtiges mehr. So legten wir uns, nachdem sich auch Trago beruhigt hatte, wieder nieder. Rolf übernahm die Wache.
Die Nacht verging ohne weitere Vorkommnisse. Trago hatten wir zu meiner zweiten Wache nicht geweckt, da wir ihm den ruhigen, gesunden, festen Schlaf gönnten.
Am Morgen rüsteten wir zeitig zum Aufbruch, frühstückten und marschierten los. Pongo zog voraus und bahnte uns, wo der Wildpfad, den wir noch weiter verfolgen konnten, verwachsen war, den Weg. Wenn der Weg so breit war, daß ich neben Rolf gehen konnte, unterhielt ich mich mit ihm und fragte ihn endlich, ob er ein weiteres Vordringen in den Urwald für sinnvoll halte. Ich konnte mir nicht denken, daß man Frau Montua hierher verschleppt hatte.
Rolf antwortete nach einer ganzen Weile:
„Ich war zunächst auch im Zweifel, ob wir auf dem richtigen Wege sind, jetzt bin ich davon überzeugt, daß die Bettler vor acht Jahren den Wildpfad benutzt haben. Der nächtliche Überfall beweist, daß der Weg heute noch von den Bettlern benutzt und überwacht wird."
„Hoffentlich lebt Frau Montua überhaupt noch, Rolf! Der Brief an den Kommandanten konnte auch gefälscht sein. Oder er war früher geschrieben worden und ist erst kürzlich an den Kommandanten abgeschickt worden."
„Auch das glaube ich nicht. Den Bettlern von Soerabaja liegt nichts am Tode Frau Montuas. Sie haben mehr von ihr, wenn sie jährlich aus der Tatsache, daß sie sie irgendwo versteckt halten, tausend Pfund erpressen können. Vielleicht ist Frau Montua auch zu irgendeinem einsam im Urwalde lebenden Stamm verschleppt worden, wo sie keine Möglichkeit hat, ihrem Manne ein Lebenszeichen auf unmittelbarem Wege zukommen zu lassen oder gar zu entfliehen."
„Hältst du den Kaufmann Liziona für das Oberhaupt der ,Fledermäuse'?" fragte ich weiter.
„Wenn nicht alles täuscht, ist er es, Hans. Er wird seine Strafe durch die irdische Gerechtigkeit erhalten, wenn wir den Nachweis führen können, daß er der Anstifter der Entführung gewesen ist."
Die weitere Wanderung durch den Urwald verlief ohne Zwischenfall. Tagsüber ging Pongo voraus, um den Weg zu bahnen. In der Reihenfolge Rolf, Trago, Maha, ich folgten wir. Nachts schliefen wir auf Plattformen, die Pongo im Laubwerk großer Bäume erbaute, nachdem er sich überzeugt hatte, daß uns auf den Bäumen nicht Gefahr durch Tiere drohte, die klettern können.
Drei Tage waren wir schon im Urwald, ohne bisher ein Zeichen dafür zu finden, daß wir uns einer menschlichen Siedlung oder Behausung näherten. Verfolger sahen wir nicht, Pongo behauptete jedoch, daß wir ständig von Beobachtern umgeben seien.
Am dritten Tage hatten wir gerade die Mittagsmahlzeit eingenommen, als wir einen schrillen Schrei hörten. Wir griffen zu den Gewehren und eilten in der Richtung, aus der der Schrei gekommen war. Pongo war uns wie oft ein Stück voraus.
Mit einem Male blieb der schwarze Riese stehen und holte mit dem Messer, das er griffbereit in der Rechten trug, zu einem gewaltigen Streich aus. Da das Gras sehr hoch stand, konnten wir nicht sofort sehen, wem der Streich galt. Fast gleichzeitig brüllte ein Tier auf.
Ein Leopard — ging es mir durch den Kopf. Ich kannte den Schrei genau, den der Leopard ausstößt, wenn er schwer getroffen wird.
Drei Sekunden später erreichten wir Pongo, der auf einer kleinen Grasfläche stand, die man schwerlich schon als Lichtung bezeichnen konnte. Mitten im Grase lag ein Mensch, der sich nicht mehr bewegte. Daneben zuckte ein Leopard. Wütend schlug das Tier um sich. Pongos Messer war ihm tief zwischen die Rippen gedrungen. Mit zwei Schüssen befreite Rolf das schöne Tier von aller Erdenqual.
Pongo kniete schon neben dem reglos liegenden Manne. Es war wieder ein Bettler aus Soerabaja. Er lebte noch, aber die Verletzungen, die ihm der Leopard beigebracht hatte, waren so schwer, daß wir nicht glaubten, daß er noch lange am Leben bleiben würde. Rolf flößte ihm aus seiner Reiseapotheke zunächst ein schmerzlinderndes Mittel ein. Daraufhin trat für Minuten eine Lethargie (Teilnahmlosigkeit) bei dem Manne ein, schließlich aber regten sich seine Lebensgeister noch einmal.
Angstvoll blickte er uns an und sagte nach einer Weile:
Weitere Kostenlose Bücher