Rollende Steine
Jubel ebbte allmählich ab.
Und verklang dann ganz. Der große Saal war gefüllt mit dem Schweigen von Hunderten, die den Atem anhielten.
Buddys Finger bewegten sich.
Er spielte drei einfache Akkorde.
Und dann sah er auf.
»Hallo, Ankh-Morpork!«
Klippe spürte, wie die Musik hinter ihm aufstieg und ihn in einen Tunnel aus Feuer, Funken und Aufregung stieß. Er schlug mit den Hämmern zu. Und es erklang Musik Mit Steinen Drin.
T.M.S.I.D.R. Schnapper war nach draußen gegangen, um die Musik nicht hören zu müssen. Er stand auf der Straße, rauchte eine Zigarre und rechnete auf der Rückseite einer noch nicht bezahlten und längst überfälligen Rechnung für alte Brötchen.
Mal sehen… Am besten fand das Konzert irgendwo im Freien statt, damit keine Miete bezahlt werden mußte. Angenommen, es kommen zehntausend Personen, und jeder Besucher verzehrt ein heißes Würstchen, das ihn anderthalb Dollar kostet, nein, sagen wir einen Dollar und fünfundsiebzig Cent, außerdem zehn Cent für den Senf… und zehntausend T-Shirts mit der Aufschrift »Die Band Mit Steinen Drin«, jeweils für fünf Dollar, nein, besser zehn… und Stallmiete für die anderen Händler, ja, es kommen bestimmt welche, denn wer die Band Mit Steinen Drin mag, ist sicher bereit, alles zu kaufen…
Er hörte Hufe klappern. Ein Pferd näherte sich, doch Schnapper schenkte ihm keine Beachtung, bis die Stimme einer jungen Frau erklang: »Wie komme ich da rein?«
»Schlag dir das aus dem Kopf; es gibt keine Eintrittskarten mehr«, sagte Schnapper, ohne sich umzudrehen. Die Leute hatten sogar für die Poster der Band Mit Steinen Drin drei Dollar pro Stück bezahlt, und der Troll Kreidig konnte innerhalb kurzer Zeit ohne Probleme Hunderte davon malen.
Er hob den Kopf. Das Pferd – ein prächtiger weißer Hengst – musterte ihn neugierig.
Schnapper sah sich um. »Wo ist die junge Dame hin?«
Zwei Trolle hockten unmittelbar hinter der Eingangstür. Susanne schenkte ihnen keine Beachtung – umgekehrt verhielt es sich ebenso.
Vor der Bühne blickte Ponder Stibbons nach rechts und links, bevor er behutsam eine hölzerne Schachtel öffnete.
Der Draht in ihrem Innern begann zu vibrieren.
»Das ist alles verkehrt!« rief er dem Erzkanzler ins Ohr. »Dies entspricht nicht den Gesetzen der Akustik!«
»Vielleicht sind es keine Gesetze, sondern nur allgemeine Richtlinien!« brüllte Ridcully. Die in der Nähe sitzenden Leute hörten ihn überhaupt nicht.
»Nein! Es muß Gesetze geben!«
Ridcully beobachtete, wie der Dekan in seiner Begeisterung auf die Bühne zu klettern versuchte. Asphalts große Trollfüße landeten genau auf seinen Fingern.
»Guter Schuß«, lobte der Erzkanzler.
Ein Prickeln im Nacken veranlaßte ihn, sich umzudrehen.
Zwar gab es im Saal der Kaverne keinen Platz mehr, trotzdem hatte sich, wie durch ein Wunder, ein freier Bereich gebildet. Die Zuschauer hielten sich von ihm fern. Sie schienen durch unsichtbare Mauern von ihm getrennt zu sein.
In der Mitte des freien Bereichs bemerkte Ridcully die junge Frau, die er zum erstenmal in der Geflickten Trommel gesehen hatte. Zielstrebig setzte sie einen Fuß vor den anderen und hob dabei den Saum ihres schwarzen Kleids.
Ridcullys Augen tränten.
Er trat vor und konzentrierte sich. Man konnte fast alles schaffen, wenn man sich richtig konzentrierte. Jeder wäre imstande gewesen, den freien Bereich zu betreten, wenn die Sinne genug Mut aufgebracht hätten, ihn als solchen zu erkennen. Darin klang die Musik ein wenig gedämpft.
Er klopfte der jungen Dame auf die Schulter. Sie zuckte erschrocken zusammen und drehte sich um.
»Guten Abend«, sagte Ridcully. Er musterte die Unbekannte von Kopf bis Fuß und fügte dann hinzu: »Ich bin Mustrum Ridcully, Erzkanzler der Unsichtbaren Universität. Und ich frage mich, wer du bist.«
»Äh…« Ein oder zwei Sekunden lang schien das Mädchen der Panik nahe zu sein. »Nun, in gewisser Weise bin ich der Tod.«
»In gewisser Weise?«
»Ja. Doch derzeit bin ich nicht im Dienst.«
»Freut mich, das zu hören.«
Von der Bühne erklang ein Kreischen, als Asphalt den Dozenten für neue Runen ins Publikum warf, das prompt applaudierte.
»Nun, ich kann nicht behaupten, dem Tod jeden Tag zu begegnen«, sagte Ridcully. »Aber die wenigen Kontakte mit ihm lassen mich vermuten, daß er, nun, ein Er ist. Und er erschien mir auch wesentlich dünner…«
»Er ist mein Großvater.«
»Ach? Im Ernst? Ich wußte gar nicht, daß er…«
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