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Rom - Band II

Rom - Band II

Titel: Rom - Band II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emil Zola , A. Berger
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war es, daß die vom Glaubensbedürfnis verzehrten Seelen ihm zuflogen, daß diese Seelen in ihm ganz aufgingen, die endlich die so lange gesuchte Gewißheit fanden, den Trost, sich Gott selbst hinzugeben und in ihm zu verschwinden!
    Aber die Zeremonie näherte sich ihrem Ende. Der Baron von Fouras stellte dem heiligen Vater die Komitemitglieder, sowie einige andere bedeutende Teilnehmer des Pilgerzuges vor. Sie zogen langsam vorüber, bogen zitternd das Knie, küßten gierig den Pantoffel und den Ring. Dann wurden die Fahnen dargebracht, und Pierre krampfte sich das Herz zusammen, als er in der schönsten und reichsten eine Fahne von Lourdes erkannte. Ohne Zweifel wurde sie von den Vätern der Unbefleckten Empfängnis geschenkt. Auf der weißen, goldgestickten Seide war auf einer Seite die Jungfrau von Lourdes gemalt, während sich auf der andern das Porträt Leo XIII. befand. Er sah, wie der Papst seinem Bilde zulächelte, und kränkte sich sehr darüber, als bräche nun sein ganzer Traum von einem verständigen, evangelischen und von allem niederen Aberglauben befreiten Papste zusammen. In diesem Augenblick begegnete er abermals dem Blicke Monsignore Nanis, der ihn seit dem Beginn der Feier nicht aus den Augen ließ und seine geringsten Mienen mit der Neugierde eines Mannes studirte, der im Begriffe ist, ein Experiment zu machen.
    Der Prälat trat näher und sagte:
    »Die Fahne ist herrlich! Und wie mag sich Seine Heiligkeit freuen, daß er so schön gemalt und in Gesellschaft dieser hübschen heiligen Jungfrau ist.«
    Da der junge Priester erblaßte und nicht antwortete, fügte er mit einer Miene echt italienischer, frommer Freude hinzu:
    »Wir Römer lieben Lourdes sehr. Diese Geschichte von der Bernadette ist so entzückend!«
    Was nun geschah, war so außerordentlich, daß Pierre lange Zeit davon ganz verstört war. Er hatte in Lourdes unvergeßliche Schauspiele von Götzenanbetung, Scenen voll naiven Glaubens, voll verzweifelter, religiöser Leidenschaft gesehen, die ihn noch heute unruhig und schmerzlich erbeben ließen. Aber die Menge, die sich in die Grotte stürzte, die Kranken, die in Liebesraserei vor der Statue der Jungfrau verschieden, das ganze durch das Kontagium des Wunders wahnwitzig gewordene Volt – nichts, nichts ähnelte dem Wahnsinn, der die Pilger erfaßte und zu den Füßen des Papstes hinriß. Bischöfe, Ordensobere, Delegirte aller Gattungen traten vor, um an den Stufen des Thrones die Opfergaben der gesamten katholischen Welt, die die ganze Welt umfassende Sammlung des Peterspfennigs niederzulegen, Es war die freiwillige Steuer eines Volkes an seinen Herrscher. Silber, Gold, Banknoten in Würfen, in Geldbeuteln, in Brieftaschen. Dann kamen Damen, die auf die Kniee fielen, um selbstgestickte, seidene oder sammetne Geldbeutel darzubringen. Andere wieder hatten auf den Brieftaschen den Namenszug Leos XIII. in Diamanten anbringen lassen. Und einen Augenblick nahm die Exaltation derart zu, daß die Frauen sich gänzlich plünderten, ihre Börsen hinwarfen, bis auf die letzten Heller, die sie bei sich hatten. Eine sehr schöne, tiefbrünette, schlanke und große Frau riß die Uhr aus dem Halskragen ihres Kleides hervor, zog die Ringe ab und warf alles auf den Teppich der Estrade. Alle hätten sich das Fleisch abreißen mögen, um ihr vor Liebe brennendes Herz herauszureißen, um es ebenfalls hinzuwerfen, um sich selbst ganz und gar hinzuwerfen. Es war ein Regen von Geschenken, es war ein völliges hingeben, der Ausbruch der Leidenschaft, die sich zu Gunsten des verehrten Gegenstandes beraubt und ihr Glück darin sieht, nichts zu besitzen, was nicht ihm gehört. Das alles spielte sich inmitten eines wachsenden Lärmes ab, inmitten von erneuten Vivatrufen, von überlautem Huldigungsgeschrei, während ein immer heftigeres Gedränge entstand, da alle, Männer wie Frauen, dem unwiderstehlichem Bedürfnisse erlagen, den Götzen zu küssen.
    Ein Zeichen ward gegeben. Leo XIII. stieg eilig vom Thron und nahm seinen Platz im Zuge wieder ein, um in seine Gemächer zurückzukehren. Die Schweizer Wache hielt die Menge energisch zurück und bemühte sich, in den drei Sälen den Durchgang frei zu halten. Als aber die Menge sah, daß Seine Heiligkeit sich entfernte, wuchs das Murren der Verzweiflung, als schlösse sich der Himmel plötzlich vor denen, die ihm noch nicht hatten nahen können. Welch schreckliche Enttäuschung: Gott war sichtbar gewesen, und man verlor ihn, ehe man durch seine bloße

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